Wien – Geheimdienst-Experte Siegfried Beer von der Universität Graz spricht sich dafür aus, dass das geplante Staatsschutzgesetz mit erweiterten Befugnissen für die Ermittler so schnell wie möglich umgesetzt wird. Darüber hinaus brauche es Regelungen für Notsituationen, etwa die Möglichkeit, potenzielle Terroristen vorübergehend zu inhaftieren, sagte Beer.

"Nicht genug"

Das vorgelegte Staatsschutzgesetz, das seit eineinhalb Jahren diskutiert wurde, beinhalte das, was die Ermittler wollten, erklärte Beer, der auch Mitglied eines Beratungsgremiums des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung war. "Wenn uns so etwas passiert wie in Paris, dann ist das nicht genug", aber sollte Österreich weiterhin Glück haben und höchstens kleinere Sachen passieren, "kommen wir mit dem aus".

"Vertrauenspersonen" (V-Leute) sei zwar ein "schlechtes Wort", räumte Beer ein. Sie seien jedoch – vorsichtig eingesetzt – ein sinnvolles Instrument für die Ermittler und eine zusätzliche Befugnis, die man ihnen unbedingt gestatten sollte. "Wie soll ein österreichischer Staatsschützer in eine religiöse Gruppierung eindringen, wenn er nicht selbst Muslim ist oder in der Gemeinschaft integriert ist?", nennt der Experte ein Beispiel. Die V-Leute seien nicht von vornherein als Kriminelle zu sehen. Auch handle es sich bei den Staatsschützern um fähige Leute: "Die nehmen sicherlich nicht den nächstbesten, der sagt, 'ich kann Ihnen helfen'."

Kontrolle gegeben

Außerdem sei ja Kontrolle durch den Rechtsschutzbeauftragten gegeben. Hier könnte sich der Leiter des Zentrums für Geheimdienststudien (ACIPSS) an der Uni Graz durchaus noch Änderungen vorstellen, wie sie teils von der Opposition gewünscht werden: "Von mir aus könnte der Rechtsschutzbeauftragte auch vom Parlament bestellt werden – ich bin dafür, wenn sich das Parlament dann mehr mitverantwortlich fühlt für den Sicherheitsbereich", meinte Beer.

Mit dem neuen Staatsschutzgesetz ist es aus Beers Sicht aber nicht getan, es müsse etwa möglich sein, in ausgesprochenen Notsituationen auch auf Kontrollabsicherungen zu verzichten. Derzeit hätte die Regierung zum Beispiel laut Bundesverfassung keine Möglichkeit, den Notstand auszurufen und die Kontrolle bei Ermittlungsmaßnahmen auszuschalten, um schnell reagieren zu können. Es brauche daher Regelungen, bei Anschlägen alle potenziellen Terroristen vorübergehend zur Einvernahme festzunehmen.

Sicherheitsstruktur "weiter denken"

Überhaupt solle die Regierung die gesamte Sicherheitsstruktur "weiter denken", empfahl Beer. Das BVT sollte demnach ein ziviler Nachrichtendienst sein, damit es sich von der polizeilichen Arbeit und Kontrolle etwas lösen könne. Dafür sollte man das BVT und die militärischen Nachrichtendienste bei einem Koordinator im Bundeskanzleramt bündeln, auch "damit das Krisenbewusstsein in der Regierungsspitze steigt". (APA, 1.12.2015)