Wien – Rudolf Müller würde sich gern selbst abschaffen. "Ich hätte nichts dagegen, wenn die Pensionskommission aufgelöst wird", sagt der Leiter derselben. "Das Gremium ist zur politischen Spielwiese verkommen, auf der eine sachliche Diskussion unter Experten nicht mehr möglich ist."

Müller steht mit dieser Erkenntnis nicht allein da. Die Seniorenvertreter der SPÖ und ÖVP haben die Kommission in der aktuellen Form ebenfalls satt – beide Seiten beklagen parteipolitische Spielchen. "Ein Austausch von Sachargumenten findet nicht statt", sagt auch Ulrich Schuh, Leiter des industrienahen Instituts EcoAustria: "Stattdessen prallen vorgefertigte Meinungen aufeinander."

Dabei sollte die vor gut 15 Jahren unter der schwarz-blauen Regierung gegründete Kommission das genaue Gegenteil bieten: eine nüchterne Expertise, auf der die Regierung ihre Entscheidungen aufbauen kann. Allerdings sitzen in dem Beratergremium nicht nur Fachleute, sondern auch Parteienvertreter und Sozialpartner.

Bunter Haufen ohne gemeinsamen Nenner

Dass dieser bunte Haufen auf keinen gemeinsamen Nenner kommt, bewies die vergangene Woche. Nachdem der STANDARD vorab über ein neues Gutachten zu den Pensionskosten berichtet hatte, machte sich auf roter Seite Freude breit. Die Tatsache, dass die staatlichen Zuschüsse für die Altersversorgung laut Prognose schwächer steigen als bisher angenommen, wertete SPÖ-Pensionistenchef Karl Blecha als Beweis, dass das Pensionssystem "stabil und für die Zukunft gerüstet" sei. Die ständig auf Reformen drängenden Vertreter der ÖVP und der Wirtschaft fühlten sich davon offenbar provoziert: Sie lehnten das Gutachten in der Kommission ab.

Manche Kritiker vermissten im Bericht Informationen zu wichtigen Fragen wie den Rehabilitationsmaßnahmen, die Invaliditätspensionen verhindern sollen. ÖVP-Generalsekretär Peter McDonald äußerte einen pauschalen Vorwurf: Das von den Fachleuten des Sozialministeriums fabrizierte Gutachten sei ein "Beschönigungsversuch".

Fakt ist, dass die Zahlen im Gutachten positiver sind als in der Budgetplanung des Finanzministeriums. Warum? Die Antwort hängt davon ab, wen man fragt. Die Berechnungen basierten auf überholten Prognosen, sagt ÖVP-Seniorenchef Andreas Khol, der gegen das Papier gestimmt hat. "Es ist umgekehrt", kontert Müller: Das Gutachten baue auf aktuelleren Daten als der Budgetplan auf.

Reform der Kommission im Frühjahr

Die Verbesserung führt der Kommissionsleiter auf drei Ursachen zurück: erstens stärker steigende Erwerbszahlen und damit mehr Einnahmen für die Pensionsversicherung, zweitens eine niedrigere Inflation, womit die jährlichen Pensionsanpassungen billiger werden. Drittens gibt es vor allem für die Invaliditätspension weniger Anträge – für Müller eine Folge der Reformen.

Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) widerspricht dem naturgemäß nicht. Die Kommissionsmitglieder mögen über Details diskutieren, eine neue Berechnung werde es aber nicht geben, sagte er im Ö1-"Mittagsjournal". Man müsse zur Kenntnis nehmen, dass die Reformen greifen: "Die Zahlen sind so, wie sie sind."

Nicht so bleiben, wie sie ist, soll hingegen die Pensionskommission. Für das Frühjahr kündigt Hundstorfer eine Reform an, bleibt inhaltlich aber ebenso vage wie die entsprechende Passage des Koalitionsprogramms. ÖVP-Vertreter Khol definiert das Ziel so: Gedacht sei an eine zweigeteilte Kommission, in der die Expertenarbeit und die politischen Schlussfolgerungen der Interessenvertreter strikt getrennt sind.

Der bisherige Vorsitzende Müller bezweifelt, dass das etwas bringt: "In Wahrheit braucht man gar keine Kommission." (Gerald John, 1.12.2015)