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Wien – Skeptisch reagiert die Opposition auf das geplante Staatsschutzgesetz der Regierung. Man müsse abwarten, was tatsächlich schwarz auf weiß im Gesetz stehe, sagte FPÖ-Sicherheitssprecher Gernot Darmann am Montag. Der grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz will den Plänen noch ein paar "Giftzähne" ziehen.

FPÖ: "Genauestens abwägen"

Grundsätzlich enthalte die Einigung der Regierungsparteien anscheinend einige interessante Änderungen, obwohl es sicher noch Gesprächsbedarf gebe, erklärte Darmann in einer Aussendung. Man müsse die Eingriffe in Grund- und Freiheitsrechte "genauestens abwägen", denn sie seien das Herzstück eines demokratischen Rechtsstaats. "Wichtig ist, dass der Rechtsschutz zum Schutz der Bürger stark ausgeprägt ist."

Er sehe noch massive Kritikpunkte wie auch unbestimmte Gesetzesbegriffe, so Darmann. Die FPÖ stehe aber für ernsthafte Gespräche zur Verfügung. Die Regierungsparteien sind zwar nicht darauf angewiesen, hoffen aber auf Oppositionsstimmen für das Gesetz, wie sie am Sonntag sagten. Das wollen auch die Grünen nützen, um nachzuverhandeln – denn der vorliegende Abänderungsantrag sei "eigentlich die alte Regierungsvorlage mit einem neuen Mascherl", befand Pilz.

Umstrittene Vertrauensleute

Keine Ermittlungsbefugnisse für V-Leute ist ein Ziel von Pilz: "Warum man diese Bagage aus Jihadisten und Neonazis 'Vertrauensleute' nennt, ist mir ein Rätsel." Er beklagt zudem fehlende Kontrolle: Der Rechtsschutzbeauftragte solle vom Parlament ernannt werden, dieses solle außerdem über technische Experten jederzeit überall Nachschau halten können. Ein Dorn im Auge ist Pilz eine neue Analysedatenbank, in der auch Kontakte gespeichert würden, über Hintertürchen de facto zeitlich unbegrenzt. Diese Datenbank unterliege nicht der Kontrolle des Rechtsschutzbeauftragten, und es gebe keine Regelung über die Weitergabe an ausländische Dienste wie die CIA.

Neos-Mandatar Niko Alm vermisste in einer Aussendung Gespräche mit allen Parteien. Er befürchtet, dass sich mit dem Abänderungsantrag "trotz gradueller Verbesserungen" nicht viel ändern wird. Prinzipiell stehe man einem derartigen Gesetz unter gewissen Vorbedingungen positiv gegenüber, es gebe aber noch einigen Verhandlungsbedarf.

"Das Nachbessern der Regierung beim Staatsschutzgesetz reicht noch nicht", findet auch Team-Stronach-Klubchef Robert Lugar. Eine wirklich unabhängige Kontrolle sei allein durch den Dreiersenat nicht gewährleistet. Darüber hinaus wünscht sich Lugar eine stärkere Kontrollmöglichkeit durch das Parlament, als von der Regierung vorgesehen ist.

Experte für "Dorfgendarm" statt Datensammelwut

Der gute alte Dorfgendarm bringt dem Staatsschutz in der Terror-Prävention mehr als Datensammelwut, ist der Kriminalsoziologe Reinhard Kreissl überzeugt. Angesichts der aktuellen Bedrohungen plädierte er am Montag im APA-Gespräch für mehr "Community Policing". Aber: "Die Politik schielt nur auf die nächste 'Kronen Zeitung'-Schlagzeile", bedauerte er.

Attentate wie in Paris könne man nicht verhindern, "man kann die Wahrscheinlichkeit reduzieren", erklärte Kreissl. Vom neuen Staatsschutzgesetz erwartet sich der Leiter des "Vienna Center for Societal Security (Vicesse)" keine Revolutionen. Die heftig umstrittenen sogenannten Vertrauenspersonen (V-Leute) etwa seien eines von mehreren Werkzeugen. "Wenn man es sparsam und richtig einsetzt, dann bringt es was."

Dass es aus Sicht der Polizei noch mehr Möglichkeiten zur Datensammlung geben sollte, glaubt der Experte nicht: "Die Ermittler ertrinken in Daten", sie hätten eher zu viel als zu wenig. Die vom Verfassungsgerichtshof gekippte, aber von einigen wieder verlangte Vorratsdatenspeicherung hält er denn auch für "völligen Unsinn". Cyber-Orientierung oder bessere Ausstattung für die Cobra sei "alles schön und gut, aber das ist nur ein Teil".

Die Politik denke zu kurzfristig: "Ein Terror-Anschlag passiert plötzlich, 'bumsti', und dann denkt man, man könnte 'bumsti' eine Lösung finden und das geht halt nicht." Man predige seit Jahren, dass sich jeder Euro, der in Prävention gesteckt werde, mehrfach rechne, betonte Kreissl. Und auch im Terrorismus sei die "gute, alte Fußarbeit von Polizisten" noch immer das wichtigste.

Rechtsanwaltskammer für Begutachtung

Differenziert beurteilt wurde von Experten die Rechtsschutz-Konstruktion im Staatsschutzgesetz. Die Strafrechtlicherin Susanne Reindl-Krauskopf fand im Ö1-"Mittagsjournal" die Vorab-Kontrolle "sicher eine gute Idee", fraglich ist ihrer Ansicht aber, ob damit eine kontinuierliche Führung der geplanten V-Person bewerkstelligt wurde. Im AK Vorrat ortet man im Kompromiss beim Rechtsschutz lediglich "Kosmetik". Die Rechtsanwaltskammer fand es am Montag notwendig, das Gesetz noch einmal in Begutachtung zu schicken, was von Regierungsseite freilich nicht geplant ist. (APA, 30.11.2015)