Brüssel/Wien – EU-Budgetkommissarin Kristalina Georgiewa sieht nach den Attacken von Paris eine Debatte über mehr Budgetflexibilität der Mitgliedstaaten bei Sonderausgaben zur Terrorbekämpfung kommen. "Wie in den USA nach dem 11. September wird es mehr Sicherheitsmaßnahmen geben", sagte Georgiewa in einem Interview mit der APA. Dies mache außergewöhnliche Zusatzausgaben nötig.

Bisher habe die EU-Kommission noch nicht besprochen, ob es darum zusätzlichen Spielraum in den nationalen Budgets geben soll – "aber es wird sicher debattiert werden", sagte die Vizepräsidentin der Kommission, die neben dem EU-Haushalt auch für Sicherheit verantwortlich ist.

Mehr Spielraum durch Flüchtlingskrise

Mehr Spielraum für Defizite im Haushalt will die EU-Kommission den Staaten auch bei Zusatzausgaben durch die Flüchtlingskrise einräumen. Einige Staaten – darunter auch Österreich – haben im Rahmen der strengen Regeln des Stabilitätspaktes um Flexibilität gebeten, Schulden zu machen. Wie weit diese geht, das entscheidet die Kommission im Frühjahr.

"Wir werden die nachträglichen Zusatzausgaben mit den Grundausgaben vom Vorjahr vergleichen", sagte Georgiewa. Derzeit gehe es darum, bestimmte Einmalausgaben nicht zum Defizit zu rechnen. Wie weit die Staaten ihre Budgetziele insgesamt überziehen dürfen, ist noch offen. "Wir haben keine definierte Zahl", sagte Georgiewa.

Die EU setzt künftig auch aus ihrem eigenen Budget mehr Mittel zur Bewältigung der Flüchtlingskrise ein. Für heuer und nächstes Jahr werde man zehn Milliarden Euro an zusätzlichem Geld ausgeben, sagte die Kommissarin. Es gebe aber nach Berechnungen des EU-Parlaments und der Kommission im gerade verabschiedeten Budget für 2016 einen Spielraum von rund zwei Milliarden Euro für weitere Sonderausgaben für Flüchtlinge.

Mehr Gelder für Syrien und Irak

Die Kommissarin drängte im Gespräch auf eine weitere Aufstockung der Hilfsgelder für die Nachbarstaaten Syriens und des Irak. Man werde die EU-Staaten, aber auch die USA und reiche arabische Länder wie Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Kuwait sowie Katar um weitere Beiträge bitten, sagte Georgiewa.

Mehr getan werden muss aus Sicht der Kommissarin besonders beim Thema Bildung. Dieses spiele für die Massenflucht aus Syrien eine entscheidende Rolle. "Wenn die syrischen Kinder in Jordanien eine Schule besuchen können, dann werden die Eltern sich entscheiden zu bleiben. Aber zwei Drittel der Kinder besuchen keine Schule, und viele Eltern werden darum wohl die gefährliche Route nach Europa nehmen", sagte Georgiewa. Die EU bemühe sich unter Koordination von Kommissar Johannes Hahn, für mehr Möglichkeiten zum Schulbesuch für syrische Kinder zu sorgen.

Gerüchte um Uno-Generalsekretariat

Europa müsse auch in Zukunft mehr in humanitäre Hilfe investieren – der Konflikt im Nahen Osten werde nicht die einzige Ursache für große Flüchtlingsströme bleiben, sagte die Kommissarin, die bis letztes Jahr die Nothilfe der EU koordinierte. Der Weltklimarat IPCC erwarte etwa bis 2025 allein 100 Millionen Klimaflüchtlinge. "Man braucht sich keine Illusionen zu machen, dass die Zahl der Vertriebenen bald sinkt", sagte Georgiewa.

Zurückhaltender äußerte sich die Kommissarin hingegen zu ihren eigenen Ambitionen für die Zukunft. Der früheren Vizepräsidentin der Weltbank aus Bulgarien wird nachgesagt, dem Südkoreaner Ban Ki-moon nach Auslaufen seiner Amtszeit Ende 2016 in das Amt des Uno-Generalsekretärs folgen zu wollen. Konkret äußerte sie sich auf die Frage nicht – sie glaubt allerdings an einen Geschlechterwandel im höchsten Amt der Vereinten Nationen. "Eines ist sicher, in den kommenden Jahrzehnten wird es mehrere Generalsekretärinnen geben", sagte Georgiewa. (APA, 29.11.2015)