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Bei einem Gipfel am Sonntag in Brüssel wollen die EU-Staats- und Regierungschefs mit dem türkischen Ministerpräsidenten einen Aktionsplan vereinbaren.

Foto: REUTERS/Francois Lenoir

Brüssel/Ankara – Im Gegenzug für Hilfe der Türkei bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise stellt die EU dem Land die Visafreiheit für seine Bürger in Aussicht. Die EU strebe eine Aufhebung der Visapflicht für Türken im Oktober 2016 an, falls das Land bis dahin bestimmte Anforderungen erfülle, heißt es in einem Entwurf der Abschlusserklärung des EU-Türkei-Gipfels am Sonntag in Brüssel.

Außerdem sagt die EU laut dem der Nachrichtenagentur Reuters vorliegendem Entwurf zunächst drei Milliarden Euro für eine bessere Versorgung der Flüchtlinge an Ort und Stelle in der Türkei zu. Über weitere Hilfen solle abhängig von der Entwicklung der Flüchtlingskrise beraten werden.

Beschleunigte Beitrittsverhandlungen

Außerdem sollen die festgefahrenen Verhandlungen mit der Türkei über einen EU-Beitritt wiederbelebt werden. Geplant sei, im Dezember über weitere Themengebiete zu sprechen. Weitere Kapitel sollten für das erste Quartal 2016 verhandlungsreif gemacht werden. Darüber hinaus sollen zweimal im Jahr Gipfeltreffen der EU und der Türkei stattfinden. Die Beitrittsverhandlungen laufen schon seit zehn Jahren.

Im Gegenzug soll sich die Türkei verpflichten, die Ausreise von Migranten ohne Aussicht auf Asylrecht in die EU zu verhindern. Die EU soll die gleiche Verpflichtung gegenüber der Türkei eingehen. Die Abschlusserklärung kann sich noch verändern, da das Gipfeltreffen in Brüssel erst um 16 Uhr beginnt.

Offene Finanzierung

Bei dem Gipfel wollen die EU-Staats- und Regierungschefs mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu einen Aktionsplan vereinbaren, um den Flüchtlingszustrom einzudämmen. Die meisten Flüchtlinge kommen über die Türkei nach Europa. Seit dem Frühjahr 2011 fanden nach offiziellen Angaben aus Ankara alleine 2,2 Millionen Syrer in der Türkei Schutz. Im Gegenzug für die Finanzierungszusagen der EU will Ankara seine Küsten besser schützen und effektiver gegen Schlepper vorgehen. Die Finanzierung ist unter den 28 Mitgliedstaaten aber noch nicht endgültig geklärt.

Keine neuen Kontingente

Zur Aufnahme von Flüchtlingskontingenten aus der Türkei werden in dem Entwurf keine konkreten Zusagen gemacht. Die Gipfelerklärung unterstreicht aber "die Bedeutung der Lastenteilung innerhalb des Rahmens der Türkei-EU-Kooperation", "nachdem die Türkei mehr als 2,2 Millionen Syrer beherbergt und schon 8 Milliarden US-Dollar (7,56 Mrd. Euro) ausgegeben hat". In diesem Kontext unterstreicht der Gipfel den Beitrag der EU-Staaten und durch bestehende Umverteilungs-("Resettlement")-Programme.

Zuvor hatte die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" berichtet, eine Gruppe von EU-Staaten, darunter Österreich, wolle der Türkei die Aufnahme von 400.000 Flüchtlingen anbieten, wenn Ankara im Gegenzug die ungesteuerte Weiterreise der Menschen in die EU stoppt. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wollte sich im Vorhinein jedoch auf keine Zahl festlegen.

Nettozahler als Organisatoren

Juncker habe das Treffen gemeinsam mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel arrangiert, berichtete die Zeitung unter Berufung auf Verhandlungskreise. Teilnehmen werden die Regierungschefs aus Belgien, Deutschland, den Niederlanden, Luxemburg, Österreich, Schweden, Finnland und Griechenland. Auch Frankreich sei eingebunden, so die Zeitung.

Die Tatsache, dass Österreich den EU-Türkei-Gipfel mit einigen anderen Nettozahler-Staaten vorbereite, kommentierte Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) in einem Interview mit dem "Kurier" mit den Worten: "Wir zahlen (...) dafür, dass auch in anderen Ländern der Lebensstandard gehoben wird. Jetzt verlangen wir, dass wir beim Flüchtlingsthema nicht allein gelassen werden."

Mehr Zusammenarbeit

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte zur "Bild am Sonntag":"Mit dem EU-Türkei-Gipfel vertiefen wir die Partnerschaft mit einem unserer wichtigsten Nachbarn – und das nicht nur, weil wir einander gerade brauchen, sondern auch, weil wir gemeinsam mehr erreichen wollen." Die EU wolle die Zusammenarbeit mit der Türkei auch über die akute Flüchtlingskrise hinaus vertiefen. "Wenn wir in wirtschaftlichen Fragen, bei Energie, Justiz und Menschenrechten die Türkei unterstützen, die europäischen Standards schneller zu erfüllen, dann profitieren wir alle davon."

Die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei gelten als alles andere als einfach. Wiederholt wurden Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit sowie Defizite bei der Rechtsstaatlichkeit in der Türkei kritisiert. So waren erst am Donnerstag zwei regierungskritische Journalisten unter anderem wegen angeblicher Spionage festgenommen worden. Die Türkei ihrerseits bemängelte bisher, keine Perspektive auf den gewünschten EU-Beitritt zu haben. (APA, 29.11.2015)