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Bäuerinnen in Peru.

Foto: AP/Rodrigo Abd

Als vor über zehn Jahren, im Winter 2004, ein Tsunami die Küste Thailands überrollte, kamen rund 230.000 Menschen ums Leben. Bei Umweltkatastrophen wie dieser werden die Auswirkungen des globalen Klimawandels am offensichtlichsten.

Darauf, dass die Veränderungen des Klimas und die damit einhergehenden Naturphänomene jedoch unterschiedliche Auswirkungen auf die einzelnen Bevölkerungsgruppen haben, versuchen Klimaschutzorganisationen wie die Women's Environment and Development Organisation (Wedo) aufmerksam zu machen. "Wir sind zwar alle vom Klimawandel betroffen, aber nicht im gleichen Ausmaß", sagt Bridget Burns von Wedo. So würden Frauen wegen einer bestehenden Ungleichbehandlung auch mehr unter dem Klimawandel leiden.

Sozioökonomisches Problem

"Die Grundlage für Geschlechterunterschiede im Klimawandel liegen in der sozioökonomischen Situation, den unterschiedlichen Rollenzuschreibungen und, gerade in Entwicklungsländern, der juristischen Situation – also ob Frauen die gleichen Rechte wie Männer haben", meint auch Ulrike Röhr von Women for Climate Justice.

Frauen seien, so die deutsche Klimaexpertin, schon allein dadurch schlechtergestellt, weil sie sich noch immer großteils um die Hausarbeit kümmern müssen. "Wären Männer diejenigen, die die Versorgungsarbeit übernehmen würden, und Frauen würden außer Haus arbeiten, wären sie es, die stärker betroffen sind." Die durch die Verteilung von Hausarbeit einhergehenden Gehaltsunterschiede würden unterschiedliche Möglichkeiten, sich an den Klimawandel anzupassen, bringen. "Wenn man keinen Zugang zu Ressourcen hat, kann man es sich auch nicht leisten, die landwirtschaftlichen Aktivitäten umzustellen", so Röhr.

Schlechte Böden

Denn gerade in Entwicklungsländern sind Frauen zu 40 bis 80 Prozent für die Agrarwirtschaft zuständig. Jedoch würden sie aufgrund ihrer gesellschaftlichen und ökonomischen Stellung "immer die schlechtesten Böden" bebauen und zumeist für die Versorgung ihrer Familie einen lokalen Markt nutzen. Da sie öfter nicht die finanziellen Mittel besäßen, sei es für sie auch schwieriger, auf Folgen des Klimawandels zu reagieren. "Sie können oft nicht auf andere Praktiken oder auf anderes Saatgut umstellen. Dadurch wirkt der Klimawandel, sei es jetzt mehr oder weniger Wasser – unvorhergesehene Regenfälle oder Dürre -, auf sie heftiger als auf jene, die das Vermögen haben", erklärt Röhr.

Männer seien zudem, weil sie nicht die Versorgung der Familie übernehmen, flexibler. "Dadurch können sie einfacher in die nächste Stadt zum Arbeiten gehen, während Frauen meist am selben Ort bleiben und sich um Kinder und Alte kümmern", sagt Röhr.

Globale Belastung

Aber nicht nur in Entwicklungsländern hätten die Klimaauswirkungen eine geschlechtsspezifische Komponente. "Die Betroffenheit von Frauen im globalen Norden ist dieselbe wie jene im globalen Süden. Der Unterschied ist nur das Level", meint Röhr. "Wenn man in extremer Armut lebt, merkt man den Klimawandel stärker."

Etwa bei der großen Hitzewelle, die Europa Anfang 2000 zwei Jahre hintereinander heimgesucht hatte. Sie wirkte sich besonders auf ältere Frauen aus. Das hänge, so Röhr, damit zusammen, dass bei Menschen im fortgeschrittenen Alter oft das Durstgefühl ausbleibe. In einer Familie würden sich weibliche Mitglieder ihrer Rolle entsprechend eher darum kümmern, dass ihre Partner trinken und sich selbst zurückstellen.

Hinzu komme die "Differenz bei Einkommen und dem Zugang zu Ressourcen" – auch in Österreich, sagt Doris Damyanovic vom Projekt Gender, Science, Technology and Environment der Universität für Bodenkultur in Wien. Und: "Frauen sind von Hitzewellen stärker betroffen, da es ein Phänomen ist, das ältere Menschen beeinträchtigt, und Frauen eine höhere Lebenserwartung haben."

Extreme Auswirkungen

Auch die Folgen der extremen Auswirkungen des Klimawandels, wie Naturkatastrophen, würden sich auf Frauen stärker auswirken als auf Männer. So seien laut Burns allein in der Vorbereitung auf Katastrophen Frauen schlechtergestellt. "In vielen Ländern lernen Frauen nicht zu schwimmen, oder sie sind, wenn sie es können, durch bestimmte Kleidervorschriften in ihren Gewändern bei Fluten benachteiligt." Weil Frauen außerdem in vielen Ländern einen schlechteren Zugang zu Bildung haben, könnten sie die Warnungen vor Katastrophen schlechter einschätzen.

Ein Beispiel, wie sich Naturkatastrophen auf die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen auswirken, ist die durch das Meeresbeben 2004 ausgelöste Flutwelle. Damals starben viermal so viele Frauen als Männer. Die Gründe führt Röhr auf die Rollenverteilung zurück: "Frauen waren zu Hause und gingen Aufgaben im Haushalt nach, kümmerten sich um die Familie. Viele Männer waren zu der Zeit als Fischer draußen auf dem Meer und spürten den Tsunami gar nicht." Allerdings, räumt Röhr ein, würden sich Männer bei den Aufräumarbeiten nach Katastrophen meist größeren Risiken aussetzen.

Doppelte Katastrophe

Hinzu komme aber auch die Frage, was nach Naturkatastrophen passiere. Die weiteren Verläufe seien stark vom Geschlecht abhängig. Wenn Menschen infolge von Naturkatastrophen – sei es nach dem Tsunami oder nach dem Hurrikan Katrina, der 2005 die amerikanische Stadt New Orleans zerstörte – umgesiedelt werden, seien Frauen nämlich "doppelt" betroffen: "Frauen verlieren nicht nur ihr Heim und müssen sich um die Familie sorgen, sondern sind in den Unterkünften oft zusätzlich sexueller Gewalt von Männern ausgesetzt", sagt Röhr.

Fehlende Repräsentanz

Gleichzeitig fehle in den Strategien zur Bekämpfung des Klimawandels der weibliche Blick. In Entwicklungsländern etwa hätten Frauen durch ihre Arbeit ein großes Wissen über die Anbaumöglichkeiten und Wassergewinnung in ihren Regionen. "Dadurch, dass wir die vom Klimawandel am stärksten betroffenen Frauen in den Entscheidungsprozessen aussparen, entgehen uns auch Lösungsmöglichkeiten", sagt Burns.

Die Unterrepräsentation zeige sich deutlich bei der bevorstehenden Klimakonferenz: "Von 139 Regierungschefs, die am ersten Tag ihre Kurzstatements abgeben, sind 129 Männer. Nur zehn Frauen sind dabei", kritisiert Röhr. Weil auf den obersten Entscheidungsebenen in der Klimapolitik die weibliche Repräsentanz fehle, fehle auch in den Lösungen ein diversitärer Zugang. "Wir brauchen hier eine Quote – aus Gerechtigkeitsaspekten." Allerdings sei es wichtiger, dass Maßnahmen darauf geprüft werden, "welche Auswirkungen sie auf die verschiedenen Bevölkerungsgruppen haben", sagt Röhr. (Oona Kroisleitner, 28.11.2015)