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Teilweise seien Ruhezeiten bei Zielpunkt nicht eingehalten worden, berichtet die Betriebsrätin.

Foto: apa/Fohringer

Wien – Die Mitarbeiter bei Zielpunkt sind fassungslos. "Da ist Angst, aber vor allem ganz viel Wut da", sagt Zielpunkt-Betriebsratschefin Snjezana Brajinovic der Austria Presse Agentur. Bis zuletzt habe man ihnen vorgegaukelt, dass Pfeiffer sich auf den Einzelhandel fokussieren wollte. "Wir hatten einen riesigen Sortimentsumbau. Die Mitarbeiter haben 14, 15 Stunden am Tag gearbeitet."

Auch bei Lieferanten ist seit der angekündigten Zielpunkt-Insolvenz Feuer am Dach. Vor allem die österreichische Lebensmittelindustrie fürchtet eine Verschärfung der Situation. Schon in der Vergangenheit habe die Übernahme bestehender Filialen von Konsum, Meinl oder Adeg durch Handelsriesen zu hoher Marktkonzen tration geführt, sagt Oskar Wawschinek vom Fachverband der Lebensmittelindustrie auf Anfrage des STANDARD.

Schirnhofer als Sanierungsfall?

"Für die Zielpunkt-Lieferanten ist das jetzt ein harter Schlag", so Wawschinek, weil damit potenzielle Kunden und Absatzwege wegbrechen. "200 heimische Lebensmittelhersteller mit 26.000 Mitarbeitern sind betroffen, inklusive der Gewerbebetriebe sind es 6000."

Zu einem Problemfall könnte vor allem das steirische Fleischerei-Unternehmen Schirnhofer werden. "Wir haben in Erfahrung gebracht, dass ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung angestrebt wird", sagt Hubert Holzapfel von der steirischen ProGe-Gewerkschaft im "Kurier". Zusatz: "Ob das überhaupt möglich ist, wissen wir noch nicht."

Angst vor Marktkonzentration

Die Angst der Lebensmittelbranche ist, dass die Marktkonzentration weitergeht. Rewe, Spar und Hofer kommen auf 85 Prozent Marktanteil. In Deutschland – so Wawschinek – liegt der Marktanteil der Top drei bei 55 Prozent.

Wie es dazu kam, erklärt Sarah Fürlinger von der Bundeswett bewerbsbehörde mit historischen Gründen: "Eine Wettbewerbsbehörde mit einer echten Zusammenschlusskontrolle wurde erst 2002 gegründet."

1995, als Österreich der EU beitrat, war das Wirtschaftsministerium mit solchen Fragen beschäftigt. Spar hat etwa mit seinen rund 1500 Filialen den Marktanteil in Österreich seit Mitte der 1980er-Jahre von 14 auf über 30 Prozent gesteigert.

Enormer Wettbewerb

Stephan Mayer-Heinisch, Präsident des Handelsverbands, hält die von der Arbeiterkammer für höhere Lebensmittelpreise verantwortlich gemachte Marktkonzentration zumindest für die Konsumenten für gut: "Das bedeutet enormen Wettbewerb und hohe Aktionitis."

Er glaubt, dass die Konkurrenz vor allem an Standorten im innerstädtischen Bereich von Wien interessiert ist. Die Einschätzung teilt auch Wawschinek: "Wir hoffen, dass die Wettbewerbsbehörde ganz genau hinschaut."

Hans-Georg Kantner vom Kreditschutzverband KSV 1870 geht davon aus, dass der Insolvenzantrag von Zielpunkt am Montag, 30. November, eingereicht wird. Beim AMS-Frühwarnsystem wurden bereits 2.700 Beschäftigte vorsorglich zur Kündigung angemeldet. Ein gutes Ende nahmen hingegen die KV-Verhandlungen für Arbeiter im Handel: Sie bekommen im kommenden Jahr 1,55 Prozent mehr Lohn. (Regina Bruckner, 27.11.2015)