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Kiribatis Präsident Anote Tong gehört zu den aktivsten Mahnern vor den Folgen des Klimawandels, hier bei der Konferenz "Our Ocean".

Foto: Reuters / Gary Cameron

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Bikeman Island im Süde von Kiribati.

Foto: REUTERS/DAVID GRAY

Anote Tong, Präsident des Pazifikstaates Kiribati, freut sich schon auf das Ende seiner Amtszeit. Dann will er endlich wieder fischen gehen. Den Kampf gegen den Klimawandel übergibt er seinem Nachfolger Anfang 2016. Zuvor hat er aber noch einen finalen Auftritt beim Weltklimagipfel in Paris, bei dem er "bis zum Ende der letzten Verhandlung bleiben will – egal, wie lange es dauert". Für Tong und sein Land geht es nämlich um nicht weniger als um eine Überlebensperspektive.

Denn Kiribati gehört zu jenen tiefliegenden Inselstaaten, für die der klimabedingte Anstieg des Meeresspiegels bereits zur konkreten Bedrohung geworden ist. Im Quellwasser steigt der Salzgehalt, die Böden versauern, die Küste ist durch den steigenden Meeresspiegel von Erosion bedroht. In der Fischerei, die mehr als die Hälfte aller Staatseinnahmen einbringt, sinkt der Bestand an kommerziellen Fischarten. Tropische Wirbelstürme häufen sich. Seit Jahren ist Tong einer der größten Warner vor den verheerenden Folgen des Klimawandels, appelliert an die Welt, Kohlendioxid-Emissionen zu reduzieren. Sein Erfolg liegt vor allem darin, die Probleme der maritimen Ökosysteme im Pazifik in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt zu haben.

Immer mehr wandern aus

2014 kaufte Tong – ebenfalls unter großem medialem Echo – 2.400 Hektar Land auf den benachbarten Fidschi-Inseln für sein Volk, um Maniok, Taro-Wurzeln und andere Nahrungsmittel anzubauen und so die Nahrungsmittelsicherheit wieder aus eigener Kraft zu garantieren. "Ich selbst habe gelobt, mein Volk nicht umzusiedeln", sagt er in zahlreichen Interviews, zum Beispiel mit der Wochenzeitung "Die Zeit". Trotzdem verlassen immer mehr Menschen die Inseln und leben in Neuseeland, Australien, auf den Fidschi-Inseln. Kiribati ist längst nicht der einzige Staat, in dem der Klimawandel die Lebensbedingungen zusätzlich massiv erschwert. Erst Mitte November hat der Weltrisikoindex 2015 den Südpazifikstaat Vanuatu als Land mit den riskantesten Lebensbedingungen eruiert. Auch den Inselstaat im Südpazifik bedroht vor allem der steigende Meeresspiegel. Auf den Plätzen zwei und drei liegen Tonga – ebenfalls im Südpazifik – und die Philippinen, wo die Gefahr von Wirbelstürmen besonders groß ist.

Aber auch durch Klimawandel bedingte Naturkatastrophen, zunehmende Trockenheit und massive Ernteausfälle bedrohen die Bevölkerung zahlreicher Staaten. Benjamin Schraven vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik zählt vor allem Südasien – insbesondere Bangladesch -, weite Teile Westafrikas, das Horn von Afrika, aber auch Hochgebirgsgebiete, Städte und Siedlungen in Flussdeltas sowie polare und sub-polare Gegenden zu den massiv betroffenen. Die Wissenschaft nennt sie "vulnerable Staaten".

V20-Gruppe

In den vergangenen beiden Jahrzehnten bildeten diese besonders "verwundbaren" unterschiedliche Zusammenschlüsse, um gemeinsame Interessen besser in den politischen Prozess einbringen zu können. Erst im Oktober schlossen sich zwanzig von ihnen zur V20-Gruppe zusammen, um sich auf dem Klimagipfel in Paris Gehör zu verschaffen. Die Gruppe vertritt fast 700 Millionen Menschen – ein Zehntel der Weltbevölkerung. Kiribati ist dabei, außerdem Afghanistan, Äthiopien, Bangladesch, Barbados, Bhutan, Costa Rica, Ghana, Kenia, Madagaskar, die Malediven, Nepal, Osttimor, die Philippinen, Ruanda, St. Lucia, Tansania, Tuvalu, Vanuatu und Vietnam.

Einer der zentralen Appelle der V20 an die internationale Staatengemeinschaft ist, sich nicht mit dem 2010 ausgegeben sogenannten "Zwei-Grad-Ziel" zufriedenzugeben. "Das erscheint zwar ambitioniert", sagt Schravens Kollege Steffen Bauer, "die besonders vulnerablen Staaten sehen sich aber schon durch einen Klimawandel von mehr als 1,5 Grad in ihrer Existenz bedroht."

Finanzielle Unterstützung

Ein weiteres Thema ist die Frage, wie man in Zukunft mit klimabedingten Schäden und Verlusten umgeht. Dafür und für die "Anpassung" an den Klimawandel – etwa der Schutz der Küsten oder die Entwicklung von Alternativen in der Landwirtschaft – benötigen die Betroffenen dringend großzügige finanzielle Unterstützung.

UN-Klimachefin Christiana Figueres bringt es auf den Punkt: "Klimawandel ist auch ein grundlegendes Wirtschaftsproblem, für das finanzielle Lösungen gebraucht werden."

Für die V20 und andere Betroffene sind deshalb vor allem mächtige Verbündete nötig, wie Steffen Bauer betont: "Die EU könnte ein solcher Verbündeter sein, aber ihrerseits noch sehr viel mehr tun." Anote Tong wird die Umsetzung eines "Abkommens von Paris" – fischend – als Privatperson beobachten. Ob noch seine Enkel auf Kiribati fischen können, hängt auch vom Erfolg der Umsetzung des Abkommens ab. (Manuela Honsig-Erlenburg, 28.11.2015)