Wien – Österreich kann dank den Auswirkungen der Steuerreform beim Tempo des Wirtschaftswachstums wieder an jenes von Deutschland anknüpfen. 2016 bringt die Steuerreform 0,4 Prozent BIP-Anstieg zusätzlich, rechnen die Volkswirte der Bank Austria. Wie 2016 werde das BIP auch 2017 um 1,5 Prozent zulegen.

"In Österreich wird die Steuerreform den Konsum wieder etwas in Richtung des Ausmaßes von Deutschland stärken, damit können wir wieder etwas aufholen", sagte Chefvolkswirt Stefan Bruckbauer am Freitag vor Journalisten. Brutto betrage der BIP-Effekt der Steuerreform 2016 1,0 Prozent, jedoch wirke sich die Gegenfinanzierung mit 0,5 Prozent negativ aus; unterm Strich bleibe dann ein Wachstumsschub von etwas mehr als 0,4 Prozent durch die Steuerreform.

Plus durch Flüchtlinge

Ein Nachfrageanstieg im Zusammenhang mit den Flüchtlingen werde zudem das Wirtschaftswachstum um 0,2 bis 0,3 Prozent stärken, sofern die zusätzlichen Ausgaben nicht woanders eingespart werden. Zum Arbeitsmarkt sollte nicht isoliert das Thema Flüchtlinge diskutiert werden, sondern die gesamte "gesteuerte Migration", nämlich wie viele Menschen mit welchen Qualifikationen man sich wünscht. Das Beschäftigungswachstum werde sich in Österreich 2016 von heuer 0,7 auf ein Prozent beschleunigen und etwas Druck vom Arbeitsmarkt nehmen, so Ökonom Walter Pudschedl.

Der Einkaufsmanagerindex (EMI) der Bank Austria verharrte mit 51,4 Punkten auch im November in der positiven Zone, also im Wachstumsbereich – schon den achten Monaten -, obwohl er leicht unter Oktober lag. "Wir sind auf einem recht soliden Wachstumskurs", resümierte Pudschedl. Es sei eine stärkere Auslands- und auch Inlandsnachfrage zu verspüren. Aber es sei noch nicht alles in trockenen Tüchern, "die Industrie fährt noch auf Sicht, versucht ihre Lager gering zu halten, hat aber nun bereits seit drei Monaten ihre Beschäftigung ausgeweitet".

Mittlerweile könne der heimische EMI nun auch mit anderen EMIs in Europa mithalten, auch weil sich das globale Umfeld und alle internationale Indikatoren verbessert hätten. Das Wachstum in Europa gewinne an Stärke, die Weltwirtschaft werde nun von den Industrieländern gezogen, nicht von den Schwellenländern. Dort sei China ein Risiko, man erwarte aber weiterhin ein "Soft Landing".

Beitrag von Exporten gering

Seit 2012 sei Österreich beim Tempo des Wirtschaftswachstums deutlich hinter Deutschland zurückgeblieben – und seit vorigem Jahr habe sich die Differenz noch stärker ausgeprägt. Damit habe sich seit 2012 eine Wachstumslücke von über zwei Prozentpunkten aufgebaut, so Bruckbauer. Rückstand gebe es vor allem bei Privatkonsum und Inlandsnachfrage.

In Deutschland leiste der private Konsum 2014/15 rund 0,8 Prozent Wachstumsbeitrag p.a., in Österreich nur 0,1 Prozent. Die Investitionen würden in Deutschland in den zwei Jahren um 0,6 Prozent p.a. zulegen, bei uns gar nicht. Mit den Exporten schließe Österreich nun nach einem schwachen 1. Halbjahr wieder an Deutschland an, der Wachstumsbeitrag sei aber sehr gering, da sich Im- und Exporte etwa die Waage hielten.

Höhere Abgaben

Dass das Konsumwachstum in Österreich in den vergangenen Jahren spürbar schwächer als in Deutschland war, hat laut Bruckbauer mehrere handfeste Gründe: die bei uns schwächere Beschäftigungsdynamik, die höhere Inflation und eine stärkere Anhebung von Abgaben. Das erkläre, dass der private Konsum in Österreich seit 2013 stagniere und sich seit 2012 eine Konsumlücke zu Deutschland im Ausmaß von mehr als zwei Prozentpunkten aufgetan habe.

In Österreich wachse das BIP seit 2012 real im Schnitt nur 0,6 Prozent pro Jahr, in Deutschland aber 1,4 Prozent – unser Land bleibe also jährlich um 0,8 Prozentpunkte zurück. Zwar sei das Lohnwachstum pro Kopf bei uns etwas stärker (2,1 gegenüber 1,8 Prozent p.a.), doch werde das u.a. durch ein deutlich schwächeres Beschäftigungswachstum (1,8 zu 2,4 Prozent p.a.) sowie einen bei uns stärkeren Abgaben- und Steuer-Anstieg (4,1 zu 3,3 Prozent) wieder ausgeglichen.

Bei den verfügbaren Nettoeinkommen sei Österreich daher seit 2012 bereits 0,7 Prozent jährlich zurückgeblieben (1,3 zu 2,0 Prozent), unter Einrechnung der bei uns spürbar höheren Inflationsrate (im Schnitt 1,8 gegenüber 1,2 Prozent) bleibe dann unterm Strich bei uns ein jährlich um 0,5 Prozent rückläufiges verfügbares Nettorealeinkommen, während es in Deutschland um 0,8 Prozent p.a. gestiegen sei – ein jährliches negatives "Delta" von 1,3 Prozent im Jahr. Auch wenn bei uns eher "entspart" wird und die Deutschen mehr auf die hohe Kante legen, blieb das Konsumwachstum in Österreich mit real 0,4 Prozent p.a. bescheiden, während es Deutschland auf 1,3 Prozent jährlich brachte.

Aktivere EZB

Von der Europäischen Zentralbank (EZB) erwartet sich Bruckbauer schon bei der Sitzung in der kommenden Woche erstens eine weitere Geldpolitik-Lockerung, also gewissermaßen ein "QE 2.0". Zu den bis zu 1,1 Bill. Euro für Ankäufe von Anleihen werde die EZB noch weitere 500 Mrd. Euro draufsatteln, sodass die monatlichen Käufe von 60 auf bis zu 75 Mrd. Euro klettern könnten. Zweitens werde die EZB den negativen Zins auf Einlagen bei der Euro-Zentralbank von derzeit 0,2 Prozent um weitere zehn bis 15 Basispunkte verschärfen, den "Strafzins" also erhöhen. Deshalb sei bei kurzen Laufzeiten am Geldmarkt mit einem Rückgang zu rechnen, der 3-Monats-Euribor werde nochmals nachgeben.

Die US-Notenbank dagegen werde im Dezember mit Zinserhöhungen starten und diese "relativ zügig" fortsetzen, nimmt Bruckbauer an, sodass der US-Leitzins bis Ende 2017 bei 2,1 Prozent zu liegen kommen könnte. In der Folge werde das dann die Zinsen am langen Ende hinaufziehen, mit Verzögerung auch in Europa. Eine Euro/Dollar-Parität oder gar einen Euro-Kurs von weniger als einem Dollar sehen die Bank-Austria-Ökonomen aber nicht.

Eine Erwartung von 1:1 wäre aus Sicht von Bruckbauer auch "überzogen, denn die Fed hätte mit einem um 25 Prozent überbewerteten US-Dollar wohl keine Freude". Gegenüber aktuell etwa 1,06 Dollar pro Euro rechnen die Experten des Geldinstituts für Juni 2016 mit 1,07, für Dezember 2016 mit 1,12 und für Dezember 2017 sogar für einen Kurs von 1,18. Dann werde es auch in Deutschland und Europa nicht mehr weiterhin Nullzinsen oder Zinsen von 0,5 Prozent geben können, so Bruckbauer. (APA, 27.11.2015)