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Kaum rechtskräftig, regt sich Kritik an den Telekom-Urteilen.

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Wien – Die Urteile des Obersten Gerichtshofs (OGH) zu den Telekom-Parteifinanzierungen von BZÖ und FPÖ werfen viele Fragen auf – insbesondere nach der Gerechtigkeit. Sicher ist, dass die Sprüche einen Prozessreigen in Gang setzen, der noch zahlreiche Gerichte beschäftigen wird. Sicher ist seit Mittwoch auch, dass der Staat den Orangen und Blauen die durch Untreuehandlungen in ihren Einfluss gekommenen Summen von 960.000 Euro (BZÖ) und 600.000 Euro (FPÖ) nicht wieder wegnehmen darf. Denn die Höchstrichter haben die vom Erstgericht, also dem Landesgericht für Strafsachen Wien, verfügte "Abschöpfung" aufgehoben.

Behalten werden die Parteien das (in Form von Wahlkampfaktionen und Werbeaufträgen vereinnahmte) Geld wohl trotzdem nicht dürfen. Denn die zur Wiedergutmachung verurteilten Personen rund um den Lobbyisten Peter Hochegger, Ex-Telekom-Vorstandsdirektor Rudolf Fischer und Ex-FPÖ-Werber Gernot Rumpold werden versuchen, das Geld auf dem Zivilrechtsweg einzutreiben. Gestoppt hat das Höchstgericht am Mittwoch nämlich nur ein Privileg des Staates: die Abschöpfung der Bereicherung beziehungsweise deren Verfall.

Der Grund: Laut der 2006 beziehungsweise 2004 gültigen Rechtslage ist die Abschöpfung beim Nutznießer nur dann zulässig, wenn das Geld diesem unmittelbar zugeflossen ist. Das ist bei BZÖ und FPÖ nicht der Fall. Beim BZÖ war beispielsweise eine Agentur zwischengeschaltet, die an die Telekom Austria (TA) Scheinrechnungen legte und für das BZÖ Aufträge erbrachte.

Riesengefallen für Kärntner Landeshauptmann

Bei den Freiheitlichen wiederum diente das Telekom-Geld primär dazu, dem Kärntner Landeshauptmann "einen Riesengefallen" zu tun und einen Rechtsstreit mit FPÖ-Werber Gernot Rumpold beizulegen. Was prompt geschah. Nachdem das Geld gekommen war, habe er diesen Betrag gedanklich in Abzug gebracht, räumte der einstige Intimus des Kärntner Landeshauptmannes Jörg Haider ein. Wiewohl die FPÖ profitierte: Die 600.000 Euro flossen nicht der FPÖ zu und durften daher nicht abgeschöpft werden, sagt der OGH.

Abschöpfung ist nicht zu verwechseln mit der Wiedergutmachung, führt OGH-Sprecher Kurt Kirchbacher aus. Da Täter und Beitragstäter vor dem Gesetz quasi eine Solidargemeinschaft bilden und für das von Telekom-Managern veruntreute Geld haften, sind sie auch gemeinsam zur Wiedergutmachung verpflichtet.

Wenn der Pressesprecher der früheren Justizministerin Karin Gastinger vom OGH dazu verdonnert wird, binnen 14 Tagen 240.000 Euro zu retournieren, die er (von Dritten, also der Telekom) für ihre Vorzugsstimmenkampagne im Nationalratswahlkampf 2006 in Form von Aufträgen vergeben hat, dann mag das extrem ungerecht klingen. Zumal seine Exchefin im Prozess nur als Zeugin aussagen musste. "Die Politiker und Profiteure müssen nicht vor Gericht, aber ihre Mitarbeiter", beklagten Juristen prompt.

"Täter und Mittäter müssen dem Opfer den Schaden bezahlen. Wenn im Hintergrund ein Dritter profitiert, bleibt der Täter immer noch Täter", stellt hingegen OGH-Richter Kirchbacher klar. Aber damit er auf dem Schaden nicht sitzenbleibt – der Ministerin Sprecher hat sich persönlich nicht bereichert –, eröffnet ihm das Gericht die Möglichkeit, sich bei den Nutznießern vor einem Zivilgericht zu regressieren. Er kann dies etwa beim Kronzeugen Gernot Schiezler tun, der die Geldsumme angewiesen hat (und als Exvorstand gegenüber der TA ebenfalls schadenersatzpflichtig ist). (ung, 27.11.2015)