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Das berühmt gewordene Testament des Alfred Nobel. Auch bei geringerem Reichtum empfiehlt sich ein solches.

Foto: Reuters / Jessica Gow

Wenn sich der Arbeitskollege plötzlich ein Penthouse am Graben und einen Porsche zulegt, kann natürlich der Fall eingetreten sein, dass er einen Lottosechser gemacht hat. Er oder sie könnten aber auch geerbt haben, das ist wesentlich wahrscheinlicher als ein Gewinn. Denn die Elterngeneration, die nach dem Krieg aufgebaut und sich dabei oftmals nicht viel gegönnt hat, hinterlässt ihren Nachkommen umfangreiche Vermögen, die sie mit Fleiß und Sparsamkeit zusammengetragen haben.

Nach Untersuchungen der Bank Austria vom Vorjahr werden in Österreich 17 Milliarden Euro reines Geldvermögen vererbt. Dazu kommen noch Sachwerte wie Grundstücke, Wohnungen und Häuser. Logisch, dass die Mitarbeiter der Private-Banking-Abteilungen der Banken freudig in die Hände spucken.

Es wird von einer Erbengeneration gesprochen und kontrovers darüber diskutiert, ob Erben nicht einen amoralischen, asozialen Charakter hat. Denn das Vererben großer Vermögen erhöht die Konzentration des Besitzes. Schon jetzt verfügen die reichsten 37.000 Haushalte in Österreich über 30 bis 40 Prozent des Gesamtvermögens – mehr als die unteren 90 Prozent der Haushalte zusammen, wie beispielsweise Markus Marterbauer, Leiter der Wirtschaftswissenschaft in der Arbeiterkammer Wien, in einem Gastkommentar in der "Wiener Zeitung" betont.

Keine Erbschaftssteuer

Da es in Österreich weiterhin keine Erbschaftssteuer gibt – auch nach der Steuerreform, die mit Jahreswechsel 2016 in Kraft tritt, – muss die Erbschaftswelle der nächsten Jahre und Jahrzehnte zu einer Kumulierung bei den Vermögen führen. Und damit zu einer Zunahme der Ungleichheit in unserer Gesellschaft führen. Es ist dies eine Entwicklung, die der französische Ökonom Thomas Piketty sogar als demokratiegefährdend eingestuft hat. Zusammen mit Zins- und Zinsesdienst bei Geldansammlungen führen Erbschaften zu einer starken Steigerung der Vermögen: Die Reichen werden immer reicher; der Abstand zu den Armen immer größer.

Doch ob Piketty und Co mit ihren Argumenten durchkommen, ist fraglich. Zu sehr erinnert das Argument, dass große Erbschaften unsozial seien, an den Kommunismus, in dem es persönliches Eigentum nicht gab und große Vermögen aus ideologischen Gründen vom Staat vereinnahmt, also kollektiviert, wurden.

Doch natürlich werden diejenigen, die in den nächsten Jahren und Jahrzehnten in den Genuss von Erbschaften kommen, dies anders sehen und ihre Lebensumstände einfach entsprechend anpassen, "upgraden", also. "Erben ist gerecht", meint etwa der Buchautor Gerd Maas, der nur eine Neiddebatte ortet. Es handelt sich, argumentiert er, um Lebenswerke, die weitergegeben werden und möglichst erhalten bleiben sollten. Denn so wie die Hinterlassenschaften sind, sind sie in einem hohen Maße für den Wohlstand verantwortlich, in dem unsere Gesellschaft sich befindet.

Erben verpflichtet

Das große Gegenargument lautet, dass die erbenden Personen die Leistung dafür nicht selbst erbracht haben. Dass sie nur der Nutznießer des Fleißes ihrer Vorfahren sind. Ausgeblendet wird dabei vielfach, dass die Verpflichtungen, die mit Erbschaften einhergehen, von den Erben häufig gar nicht gern übernommen werden – egal, ob es sich um große oder kleine Vermögen handelt.

Besonders bei der Unternehmensnachfolge. Erben haben häufig kein Interesse daran, das große Ganze der Eltern weiterzuentwickeln. Lieber wollen sie ihr bisheriges Leben führen. Da ist der langjährige Betriebswirt, der in einer Unternehmensberatung international Karriere machte – und nun den Bauernhof der Eltern mehr schlecht als recht bewirtschaftet. Da ist die Künstlerin, die kein Interesse an dem kleinen Gewerbebetrieb der Eltern hat und auch keine Möglichkeit sieht, ihren künstlerischen Lebensanspruch mit dem kaufmännischen ihrer Eltern zu verbinden.

Wer dies für Sonderprobleme hält, dem sei vor Augen geführt, dass laut einer Studie der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY 80 Prozent der österreichischen Betriebe in Familienbesitz eine ungeklärte Nachfolgeregelung haben. Die potenziellen Nachfolger wollen häufig nicht in die Fußstapfen ihrer Vorgängergeneration treten. Teils, weil sie die Knochenarbeit kennen, denen ihre Eltern ausgesetzt waren, teils, weil sie ihren eigenen, komplett anderen Lebensplan verfolgen. Diese problematische Unternehmensnachfolge ist überall in Europa anzutreffen, so EY.

Fadenscheinige Begründung

Und dennoch ist das Fehlen einer österreichischen Erbschaftssteuer der Kern des Problems. Bei der Übergabe eines Vermögenskonglomerats an die nächste Generation könnte der österreichische Staat eigentlich abschöpfen – tut er aber nicht. Die Begründungen dafür sind fadenscheinig: Da wird zum Beispiel angeführt, dass die frühere Erbschaftssteuer zu kompliziert gewesen sei, was sicherlich stimmt.

Auch war sie eine Substanzsteuer auf kapitalintensive Unternehmen. Es wurde damals eine unkomplizierte Erbschafts- und Schenkungssteuer in Aussicht gestellt, die aber niemals kam.

Seither wird in typischer österreichischer Manier an allem, was unter Vermögenssteuern subsumiert werden kann, herumgeflickt. Über Vermögenssteuern, die womöglich an der Substanz, also am Kapital und nicht nur am Kapitalzuwachs zehren, traut sich in Österreich keine Partei drüber – obwohl natürlich gerade der "Generationsübertritt" eines Vermögens im Zuge einer Erbschaft dazu prädestiniert wäre, dass der Staat zulangt. Der Staat holt sich dann einen Anteil, und der Erbe könnte mit dem größeren Rest noch immer viel machen. Politisch ist dies jedoch schwierig umzusetzen.

Man traut man sich nicht recht drüber. So kam es im Zuge der Steuerreform, die ab 2016 gilt, wieder zu keiner Einführung einer Erbschaftssteuer. Stattdessen wird bei einer Erbschaft einer Immobilie die Grunderwerbssteuer neu geregelt und den Marktgegebenheiten ein bisschen angepasst. Wie bekannt, ist der Einheitswert seit Jahrzehnten nicht mehr adaptiert worden und deshalb meilenweit vom wirklichen Wert einer Immobilie entfernt.

Lieber kompliziert machen

Doch wie immer in Österreich wird die Sache dabei wahnsinnig verkompliziert. Bemessungsgrundlage ist zukünftig anstelle des dreifachen Einheitswerts der Verkehrswert. Um den Marktwert festzustellen, kommen künftig sogenannte "Hochrechnungsfaktoren" zur Anwendung – diese werden bis auf Bezirksebene vorgegeben. Dann kommt ein gestufter Steuersatz zur Anwendung, der bei Immobilien von bis zu 250.000 Euro 0,5 Prozent beträgt und dann doch recht kräftig ansteigt.

Gelebte Wirklichkeit: Anstatt einer schwierig umzusetzenden, ideologisch heiß diskutierten Erbschaftssteuer mit klaren, einfachen Regeln wird lieber an den bestehenden Regeln herumgedoktert, bis sich keiner mehr auskennt.

Damit der Kapitalismus überlebt, muss er fair bleiben, meint Ökonom Piketty in seinem Bestseller "Das Kapital im 21. Jahrhundert". Besonders die Erbengeneration müsse mit der Gesellschaft teilen – am sozial verträglichsten wahrscheinlich via Erbschaftssteuer. Denn die Kapitalrendite sei in der Regel größer als die Wachstumsrate, die in der Realwirtschaft erreicht werden kann – es kommt zur gesellschaftlich schädlichen Kumulierung des Kapitals. (Johanna Ruzicka, Portfolio, 20.12.2015)