Bild nicht mehr verfügbar.

Bessere (Bio-)Lebensmittel für die Familie sind durch das bedingungslose Grundeinkommen erschwinglich.

Foto: APA / dpa / Marc Müller

Regelmäßig Geld aufs Konto bekommen – einfach so, ohne Gegenleistung und zur völlig freien Verfügung? Als Olga Schmid aus Baden-Württemberg vor rund einem Jahr im Radio von "dieser Geschichte" hörte, glaubte sie zunächst an einen Scherz. Doch dann googelte die 46-Jährige und merkte: Das gibt es tatsächlich. In Berlin hat sich die Initiative "Mein Grundeinkommen" zum Ziel gesetzt, Bürgern ein Jahr lang jeden Monat 1.000 Euro als Grundeinkommen zu überlassen. Ohne Gegenleistung, ohne Hintergedanken, ohne Druck.

Eingesammelt per Crowdfunding

"Ich will dazu beitragen, dass sich Menschen entfalten können", sagt Initiator Michael Bohmeyer, der das Geld per Crowdfunding einsammelt und bis jetzt schon 22 Grundeinkommen vergeben konnte. Über ihn berichtete Portfolio im Vorjahr. Olga Schmid kannte Bohmeyer damals noch nicht, aber sie durchforstete mit großem Interesse seine Website mein-grundeinkommen.de.

Dort stieß sie auf unzählige Menschen, die das Grundeinkommen gern bekommen würden und die auch berichteten, was sie damit machen würden. "Ich hatte ziemlich viele Vorurteile", sagt sie, "ich dachte, die Leute würden ein Jahr lang faul am Sofa liegen." Weit gefehlt. Die meisten wollen in Bildung investieren oder in ihre Kinder.

"Machst einfach auch mal mit, wird eh nix", dachte die Krankenschwester und reichte für ihre Kinder Robin (9) sowie Carla (10) und sich selbst Bewerbungen ein. Sie wollte gesünder essen und bessere (Bio-)Lebensmittel für die Familie kaufen. Und dann – Überraschung: Das Los traf unter den Tausenden tatsächlich ihren Sohn.

Schlaflose Nächte

"Sind wir jetzt reich?", fragt der seine Mutter, als die frohe Kunde zu ihm drang. Nein, das nicht, antwortet die Mama, versichert ihm aber, dass sein Wunsch auf jeden Fall erfüllt wird: jeden Monat ein neues Buch für den Bücherwurm Robin.

Der freut sich, und auch Olga Schmid freut sich natürlich "irrsinnig", aber sie schläft in den ersten Nächten nach dem Gewinn schlecht. "Ich hatte ein schlechtes Gewissen. So viele Leute haben gespendet, es war ein großer Druck, daraus etwas Sinnvolles zu machen." Die Familie ist sich bald einig: Das Geld soll allen zugutekommen, nicht nur Robin. Sie fahren drei Tage auf Urlaub, kaufen bessere Lebensmittel, machen Ausflüge und tilgen Schulden für das selbstgebaute Häuschen.

"Wir haben nichts verpulvert", sagt Olga, "wir haben einfach ein wenig besser gelebt. Und das tat gut." Denn bis zum Gewinn mussten die Schmids streng haushalten. Die Kinder kosten Geld, wegen ihrer pflegebedürftigen Eltern und Schwiegereltern kann Olga aber nur Teilzeit arbeiten. "Vor dem Gewinn dachte ich oft, ich komme aus dieser endlosen Mühle nie heraus, ich war völlig ausgelaugt", erinnert sie sich.

Bessere Laune

Das Geld, das ab Dezember 2014 floss, habe die ganze Familie ruhiger gemacht. "Wir hatten viel bessere Laune und gingen auch freundlicher auf unsere Mitmenschen zu. Ich selber bin selbstbewusster geworden, beschäftige mich mehr mit Politik und will wieder mehr arbeiten", sagt Olga.

Dass das Füllhorn nun nach einem Jahr versiegt und sich die Familie wieder einschränken muss, macht niemand traurig. "Im Gegenteil", sagt Olga, "wir haben alle so viel gewonnen in diesem Jahr, dass wir davon noch lange zehren werden. Und damit meine ich nicht nur das Geld." (Birgit Baumann, Portfolio, 14.12.2015)