Medizinischer Fortschritt passiert auf unterschiedlichen Ebenen. Mitunter kommen wichtige Erkenntnisse aus der Erforschung Seltener Erkrankung. Indem Wissenschaftler spezifische Malfunktionen verstehen, können sie Rückschlüsse auf generelle Zusammenhänge im Organismus ziehen.

So geschehen in der Kardiologie bei der Erforschung von Morbus Fabry. Patienten mit dieser seltenen Erbkrankheit haben eine Mutation auf dem X-Chromosom, die eine Speicherstörung im Stoffwechsel verursacht. Dadurch kommt es zur Anreicherung bestimmter Stoffe in verschiedenen Zellen. Die Ansammlung stört im Verlauf der Erkrankung oftmals mehrere Organfunktionen, wobei insbesondere Herz, Nieren und Nervensystem betroffen sind.

Herz ohne Leistung

Bei über der Hälfte aller Fabry-Patienten kommt es zur Beeinträchtigung der Herzfunktion, wodurch körperliche Leistungsfähigkeit, Lebensqualität und Lebenserwartung weiter gemindert werden. Generell können Morbus Fabry-Patienten keinen Sport machen. Grund dafür ist die Hitzeintoleranz, zudem hält ihr Herzmuskel nicht mit der Anstrengung mit.

Mediziner des Deutschen Zentrums für Herzinsuffizienz (DZHI) haben jetzt den Herzmuskel von rund 100 Fabry-Erkrankten unter Belastung untersucht und dabei festgestellt, dass bei Patienten mit fortgeschrittener Fabry-Krankheit starke Narbenbildung im Herzgewebe zu sehen sind. Sie zeigen charakteristische Elektrokardiogramme unter Anstrengung (Belastungs-EKG), die zudem Rückschlüsse zulassen, dass auch das autonome Nervensystem in den Krankheitsprozess involviert ist. Narbenbildung im Herzgewebe (Fibrose) ist bei Morbus Fabry ein sehr häufiges Phänomen.

Genau diese Vernarbung tritt aber auch bei Patienten auf, die einen Herzinfarkt erlitten haben und in der Folge eine Herzschwäche entwickeln. Zirka 300.000 Österreicher und Österreicherinnen leben derzeit mit der Diagnose Herzinsuffizienz.

Fibrose und Folgen

"Unsere Daten deuten an, dass beim Morbus Fabry die Fibrose im Herzen für Veränderungen in der Repolarisationsphase des Herzens verantwortlich ist: Unter Belastung zeigen sich ausgeprägt inadäquate Blutdruck- und Herzfrequenzanstiege. Außerdem tauchen mit zunehmender Fibrose sehr häufig Zusatzschläge im Herzrhythmus auf", erklärt der Mediziner Johannes Krämer, der die Studie federführend koordinierte.

"Für die Fabry-Patienten ist diese Beobachtung natürlich wichtig. Denn wir müssen jetzt diskutieren, ob und wann wir beispielsweise bestimmte Herzschrittmacher einsetzen wollen oder ob die derzeitige Therapie des Morbus Fabry, bei dem der Gendefekt durch lebenslange Enzymgabe ausgeglichen wird, noch verbessert werden kann." Und weiter: "Wissenschaftlich tun sich jetzt ebenfalls eine ganze Reihe von Rätseln auf. Wir müssen jetzt weiter forschen, wie die Abnormitäten in den EKG-Kurven von Fabry-Patienten entstehen.

Wir fragen uns, ob die Fibrose ursächlich ist oder die Ablagerungen in den Zellen oder auch, ob andere pathologische Vorgänge die Leistungsminderung begründen." Weitere Untersuchungen sollen nun folgen und werden das Verständnis von Herzerkrankungen –auch bei Nicht-Fabry Betroffenen – erweitern. (red, 26.11.2015)