Nairobi – Viele der in Afrika südlich der Sahara geplanten oder bereits im Bau befindlichen Straßen, Bahnlinien und Leitungstrassen verbessern die landwirtschaftlichen Erträge in diesen Regionen nur minimal, bedrohen die Umwelt aber massiv. Zu diesem Schluss kommen australische Wissenschafter, nachdem sie die Auswirkungen von insgesamt 33 solcher Entwicklungskorridore analysiert haben.

Einige der Bauprojekte sollten gänzlich gestoppt, andere nur unter strengen Auflagen weitergeführt werden, schreiben die Forscher im Fachblatt "Current Biology". Die landwirtschaftlichen Erträge zu verbessern und so die Ernährung der rapide wachsenden Bevölkerung in Afrika zu sichern, sei die am häufigsten genannte Rechtfertigung für die Planung der sogenannten Entwicklungskorridore, schreiben William Laurance und seine Mitarbeiter von der James Cook University in Cairns.

Leichterer Zugang zu bewirtschaftbarem Land

In der Tat habe Afrika große Flächen kulturfähiges Land, dessen Erträge derzeit alles andere als optimal seien. In vielen Gegenden könnten neue oder verbesserte Straßen womöglich helfen, die Erträge durch verbesserte Bewirtschaftungsmethoden oder einen leichteren Zugang zu den umliegenden Märkten zu steigern. Steigende Gewinnmöglichkeiten könnten nachfolgend Siedler aus Gegenden anlocken, die aus ökologischer Sicht besonders wertvoll sind und die dann als Naturschutzgebiete erhalten bleiben können.

Soweit die Theorie. In der Wirklichkeit sieht es hingegen oft anders aus, beklagt das Team um Laurance. Die Wissenschafter nahmen 33 Entwicklungskorridore genauer unter die Lupe. Zehn davon bestehen bereits, neun sollen ausgeweitet werden und 14 befinden sich in Planung. Bei Fertigstellung kämen sie zusammen auf eine Gesamtlänge von über 53.000 Kilometern. Sie verlaufen kreuz und quer über den Kontinent, zerschneiden Naturschutzgebiete und setzen bisher nur wenig besiedelte Gebiete einem hohen Umweltdruck aus.

Um die Auswirkungen genauer benennen zu können, untersuchten die Forscher in einem Band von 50 Kilometer Breite entlang der einzelnen Korridore, wie dicht besiedelt die Region ist, welche gefährdeten oder geschützten Pflanzen und Tiere dort vorkommen oder wie hoch die Kohlenstoff-Speicherkapazität ist.

Gute und schlechte Korridore

"Wir fanden eine beeindruckende Variabilität in den vermuteten Umweltauswirkungen und dem ökonomischen Nutzen der 33 von uns untersuchten Entwicklungskorridore", wird Erstautor Laurance in einer Mitteilung von Cell Press zitiert. "Einige der Korridore scheinen eine gute Idee zu sein, andere eine wirklich schlechte. Etliche davon könnten sich aus ökologischer Sicht als wirklich desaströs erweisen, meinen wir."

Die größten nachteiligen Auswirkungen sehen die Forscher beim Bau von Straßen oder Bahnlinien in den Wäldern und Savannen in der Nähe des Äquators, etwa in den dicht bewaldeten Gebieten im Kongo-Becken oder in West-Afrika. Insgesamt durchqueren die Korridore demnach 408 Schutzgebiete. Berücksichtige man das 50-Kilometer-Band um die Korridore herum, würden gar mehr als 2.100 Schutzgebiete zumindest teilweise von mindestens einem Korridor beeinträchtigt. Schlechte Bodenqualität oder ungünstiges Klima begrenzten indes die Steigerungsmöglichkeiten der landwirtschaftlichen Erträge in vielen Gegenden erheblich, berichten die Forscher weiter.

"Eine der wesentlichen Rechtfertigungen für diese Korridore ist die Erhöhung der landwirtschaftlichen Produktivität und der Lebensmittelproduktion; tatsächlich scheinen massive Investitionen in den Bergbau, die den Zugang zu absatzstarken Mineralen wie Eisenerz und Kohle sichern, der maßgebliche Beweggrund für zahlreiche Korridore zu sein", sagt Laurance. Aus Sicht der Forscher sollten einige Vorhaben gänzlich gestoppt werden. Eine sorgfältige Auswahl geeigneter Projekte könne dazu beitragen, die Erträge in der Landwirtschaft zu erhöhen und die Umweltfolgen gleichzeitig zu minimieren.

Pandoras Box vor der Öffnung

"Afrika steht vor einer Dekade der Entscheidungen. Die Einsätze sind enorm. Sobald ein einzelner Entwicklungskorridor fertiggestellt ist, ist Pandoras Box geöffnet und man kann nicht mehr viel tun, um den Ansturm von Jagd, Habitat-Zerstörung sowie legaler und illegaler Bergbau-Aktivität zu kontrollieren."

Kürzlich feierten Umweltschützer in Ostafrika die Entscheidung des Ostafrikanischen Gerichtshofs, den Bau einer befestigten Straße mitten durch den Serengeti-Nationalpark zu stoppen. Der Straßenbau, von der Regierung Tansanias geplant, war international auf großen Protest gestoßen. (APA, 29.11.2015)