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Ausnahmezustand: In Frankreich gilt die Europäische Menschenrechtskonvention nur noch teilweise.

Foto: REUTERS/Christian Hartmann

Straßburg – Nach den Pariser Anschlägen mit 130 Toten hat Frankreich die Europäische Menschenrechtskonvention teilweise ausgesetzt. Davon habe die Regierung den Generalsekretär des Europarats, Thorbjörn Jagland, in Kenntnis gesetzt, teilte ein Sprecher des Europarats am Mittwoch mit. Einzelheiten wurden zunächst nicht bekannt.

Frankreich begründet die Maßnahme mit dem nach den Anschlägen vom 13. November ausgerufenen Ausnahmezustand, der mittlerweile auf drei Monate verlängert wurde. Dabei beruft sich die Regierung auf Artikel 15 der Konvention. Demnach können Unterzeichner von den Verpflichtungen "abweichen", wenn "das Leben der Nation durch Krieg oder einen anderen öffentlichen Notstand bedroht" wird und die Lage im Land das "unbedingt erfordert". Ausgenommen ist davon allerdings das Folterverbot, das unter keinen Umständen ausgesetzt werden darf.

Hausdurchsuchungen ohne Gericht

Unter Berufung auf Artikel 15 könnte Frankreich beispielsweise die Inhaftierung eines Verdächtigen ohne richterlichen Beschluss rechtfertigen. Dem Sprecher des Europarats zufolge ist es Aufgabe des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu prüfen, ob die Aussetzung eines Artikels im Einzelfall berechtigt ist oder nicht.

Der Ausnahmezustand ermöglicht in Frankreich unter anderem Ausgangssperren, Wohnungsdurchsuchungen ohne richterlichen Beschluss auch in der Nacht und Hausarrest für Menschen, deren "Aktivität" sich als "gefährlich für die Sicherheit und die öffentliche Ordnung erweist". Außerdem können Versammlungsverbote verhängt und Konzertsäle und Kinos geschlossen werden.

Türkei, Georgien und Armenien

Von Artikel 15 der Menschenrechtskonvention haben in der Vergangenheit bereits andere Mitgliedsstaaten des Europarats Gebrauch gemacht, die nach regionalen Unruhen und Konflikten vorübergehend einen Ausnahmezustand ausriefen – etwa die Türkei (1990), Georgien (2006) und Armenien (2008). (APA, 25.11.2015)