Bild nicht mehr verfügbar.

Eingeschlagene Fenster der türkischen Botschaft in Moskau am Dienstag.

Foto: APA/AFP/VASILY MAXIMOV

Bild nicht mehr verfügbar.

Demonstrationen gegen Ankara vor der türkischen Botschaft in Moskau.

Foto: APA/AFP/KIRILL KUDRYAVTSEV

Bild nicht mehr verfügbar.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan erklärte, mit dem Abschuss habe die Türkei ihre Sicherheit und die "Rechte unserer Brüder in Syrien" verteidigt.

Foto: AP Photo/Kayhan Ozer

Damaskus – Nach dem Abschuss eines russischen Militärflugzeugs im türkisch-syrischen Grenzgebiet hat sich die Lage nochmals verschärft. Rund 900 Menschen demonstrierten am Mittwoch vor der türkischen Botschaft in Moskau, einige Demonstranten bewarfen das Gebäude mit Steinen, Eiern und Farbbeuteln, meldete die Agentur Tass. Mindestens 15 Fenster wurden demnach eingeschlagen, verhaftet wurde zunächst niemand.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow hält den Abschuss für womöglich von langer Hand vorbereitet. "Wir haben ernste Zweifel, ob es sich um einen spontanen Akt handelt, es ist mehr wie eine gezielte Provokation", sagte Lawrow bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan sagte am Mittwoch hingegen, die Türkei habe lediglich ihre Sicherheit verteidigt und die "Rechte unserer Brüder in Syrien".

Unterstützung aus den USA

US-Präsident Barack Obama hatte Erdoğan zuvor in einem Telefonat versichert, dass die Türkei aus Sicht der USA und der Nato das Recht habe, ihre Souveränität zu verteidigen. Zugleich hätten beide darin übereingestimmt, dass die Lage nicht eskalieren dürfe. Es müsse Vorkehrungen geben, damit sich ein solcher Vorfall nicht wiederhole.

Auch die Nato-Staaten warnten am Dienstagabend vor einer Zuspitzung der Lage, sicherten der Türkei aber ihre Solidarität zu. "Ich rufe zu Ruhe und zu Deeskalation auf", sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg nach einer von der Türkei beantragten Sondersitzung des Nato-Rats in Brüssel. In ihm sitzen Vertreter aller 28 Bündnisstaaten.

Auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel rief zu einer Entschärfung der Lage auf. "Wir müssen jetzt alles tun, um eine Eskalation zu vermeiden", sagte Merkel am Mittwoch im deutschen Bundestag. Natürlich habe jedes Land das Recht, sein Territorium zu verteidigen. Auf der anderen Seite müsse immer auch die angespannte Lage in der Region beachtet werden, die sich nun nochmals verschärft habe.

Nach Nato-Erkenntnissen dürfte die türkische Darstellung zutreffen, dass das Militär den Bomber vom Typ Suchoi Su-24 nach einer Verletzung des türkischen Flugraums beschossen hat. Nach US-Einschätzung wurde der Kampfjet allerdings innerhalb des syrischen Luftraums getroffen. Die Maschine sei zwar kurzzeitig im türkischen Luftraum gewesen, dort aber nicht getroffen worden, sagte ein Vertreter der US-Regierung, der nicht namentlich genannt werden wollte, der Agentur Reuters. Diese Beurteilung basiere auf Wärmedaten des Jets.

Russland betonte, der Flieger habe für die Türkei keine Gefahr dargestellt und sei über syrischem Boden abgeschossen worden, womit sich die türkische Regierung zum "Helfershelfer von Terroristen" gemacht habe. Die Türkei erklärte, die Grenzverteidigung sei "sowohl unser internationales Recht als auch unsere nationale Pflicht". Zudem habe man die Piloten mehrmals gewarnt, wie aus von mehreren Medien veröffentlichten Audioaufzeichnungen hervorgeht. Der überlebende Pilot der abgeschossenen Maschine hat hingegen laut russischen Staatsmedien erklärt, es habe vor dem Abschuss keine optische oder Funk-Warnung der Türkei gegeben. Man habe auch zu keinem Zeitpunkt türkischen Luftraum überquert.

Kampfjets begleiten Einsätze

Als Reaktion auf den Vorfall werden alle russischen Luftwaffeneinsätze gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" in Syrien ab sofort von russischen Kampfjets begleitet, wie der Generalstab laut dem Nachrichtenportal "Sputniknews" bekanntgab. Zuvor hätten Bomber keinen derartigen Schutz bekommen. Außerdem wird ein russisches Flugabwehrsystem des Typs S-400, das Flugzeuge auf große Distanz abschießen kann, nach Latakia verlegt.

Der Abschuss könnte laut dem russischen Premier Dmitri Medwedew auch wirtschaftliche Folgen für türkische Unternehmen haben. So könnte Russland einige wichtige Gemeinschaftsprojekte absagen. Das würde einen Marktanteilsverlust für türkische Unternehmen in Russland bedeuten, erklärte Medwedew in einer öffentlichen Stellungnahme auf der Website der russischen Regierung.

Russlands Nato-Botschafter Alexander Gruschko kritisierte nach der Nato-Sondersitzung, dass die Türkei für ihr Verhalten nicht verurteilt worden sei. Außerdem habe Russland keine Beileidsbekundung nach dem Tod zweier Piloten erhalten.

Erste Verluste aufseiten Russlands

Einer von ihnen saß nach russischen Angaben in dem abgeschossenen Bomber, der andere in einem Hubschrauber, der von syrischen Rebellen auf dem Weg zur Rettung der verunglückten Flugzeugbesatzung beschossen wurde. Der zweite Suchoi-Pilot befindet sich nach Angaben des russischen Botschafters in Frankreich, Alexander Orlow, in der Obhut der syrischen Armee. Er sei auf dem Weg zur russischen Luftwaffenbasis. Für Russlands Streitkräfte sind es die ersten offiziell bestätigten Verluste seit Beginn ihres Eingreifens im syrischen Bürgerkrieg im September.

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon zeigte sich "äußerst besorgt" nach dem Suchoi-Abschuss. "Der Generalsekretär ruft alle militärisch in der Region verwickelten Parteien auf, alle Maßnahmen darauf abzustimmen, ungewollte Konsequenzen zu vermeiden", sagte sein Sprecher in New York. Das Pentagon teilte mit, der Zwischenfall habe derzeit keine Auswirkungen auf die Aktionen der US-Luftwaffe in Syrien. Französische Kampfjets griffen dort am Dienstagabend gemeinsam mit der US-Luftwaffe erneut IS-Ziele an. (APA, Reuters 25.11.2015)