Bild nicht mehr verfügbar.

Standbild eines Videos, das das Auseinanderbrechen des am Dienstag abgeschossenen russischen SU-24-Kampfflugzeugs nahe der syrisch-türkischen Grenze zeigt.

EPA / HABERTURK TV CHANNEL

Bild nicht mehr verfügbar.

Zu offiziellen Anlässen reicht man sich immer noch medienwirksam die Hand, doch schon längst ist das Verhältnis zwischen Wladimir Putin (links) und Tayyip Erdoğan schwer belastet.

Foto: AP / RIA Nowosti / Alexei Druzhinin

Die Lage an der syrisch-türkischen Grenze ist eskaliert: Ein russischer Jagdbomber vom Typ Suchoi SU-24 ist am Dienstag vom türkischen Militär abgeschossen worden. "Das Flugzeug befand sich in 6.000 Metern Höhe (...) und während des gesamten Flugs über syrischem Territorium", betonte das russische Verteidigungsministerium.

Das Flugzeug stürzte über der syrischen Provinz Latakia ab. Die beiden Piloten konnten sich aus dem Cockpit katapultieren, wurden aber laut Angaben einer turkmenischen Brigade erschossen, als sie an ihren Fallschirmen hingen. Moskau bestätigte am Abend den Tod eines der Männer. Dieser sei tatsächlich am Fallschirm hängend erschossen worden. Bei der Rettungsaktion sei ein Soldat getötet worden. Zuvor hatte es geheißen, Rebellen hätten bei der Aktion einen Helikopter getroffen.

Ankara begründete den Abschuss mit der Verletzung des eigenen Luftraums. Bereits vor einem Monat hatten türkische Offizielle wegen eines solchen Vorfalls den russischen Botschafter Andrej Karlow einbestellt. Im Wiederholungsfall werde der Grenzverletzer abgeschossen, warnte die Türkei Russland.

Am Freitag musste Karlow nach massiven Bombardements der russischen Luftwaffe in Syrien erneut im türkischen Außenministerium vorsprechen. Ankara beschuldigte Moskau, die im Norden Syriens wohnenden Turkmenen bombardiert zu haben, als deren Schutzmacht sich Ankara sieht.

Streit über Abschussort

Die Darstellungen des Vorfalls sind widersprüchlich. Laut Ankara wurde die SU-24 von einem Mehrzweckjäger des Typs F-16 vom Himmel geholt. Russische Militärs nennen aber eine Boden-Luft-Rakete als Abschusswaffe.

Viel schwerer wiegt freilich der Streit um den Abschussort des russischen Flugzeugs. Moskau weist den Vorwurf einer Luftraumverletzung entschieden zurück: Der Bomber habe sich einen Kilometer von der türkischen Grenze entfernt befunden, sagte Präsident Wladimir Putin.

Als Reaktion werden alle Luftwaffeneinsätze Russlands gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" IS in Syrien ab sofort von eigenen Kampfjets begleitet, wie der Generalstab in Moskau laut des staatlichen Nachrichtenportals "Sputniknews" bekannt gab. Zuvor hätten Bomber keinen derartigen Schutz bekommen. Außerdem wurde der russische Raketenkreuzer Moskwa demnach angewiesen, vor der syrischen Mittelmeerküste Position zu beziehen und alle Ziele zu vernichten, die Russlands Luftwaffe in dem Bürgerkriegsland gefährden könnten.

Der Vorfall werde ernste Konsequenzen für das russisch-türkische Verhältnis haben, kündigte Putin an. So etwas werde Russland nicht dulden. "Der heutige Verlust wurde durch einen Messerstich in den Rücken verursacht, den uns die Handlanger des Terrorismus versetzt haben", sagte der Kremlchef. Seinen Angaben nach erhalten die Terroristen schon bisher einen bedeutenden Teil ihrer Finanzierung aus der Türkei. Jetzt wolle Ankara wohl auch noch die Nato in den Dienst des "Islamischen Staates" stellen, fügte er bissig hinzu. Bei einem von der Türkei einberufenen Nato-Sondertreffen am Abend stellte diese sich an die Seite Ankaras. Nach Informationen des Militärbündnisses sei das Flugzeug in türkischem Luftraum abgeschossen worden, sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg, der der Türkei Solidarität versicherte.

Tatsächlich haben sich die Beziehungen der beiden Länder in den vergangenen Monaten infolge des Syrien-Konflikts rapide verschlechtert. Hatten sie noch im Dezember 2014 eine strategische Pipelinepartnerschaft geschlossen, so liegt das Projekt Turkstream inzwischen auf Eis.

Einfluss in Syrien

Türken und Russen konkurrieren in Syrien um Einfluss. Während der türkische Präsident Tayyip Erdoğan den Rücktritt Bashar al-Assads forciert, hält der Kreml stur an ihm fest. Im August berief Putin den türkischen Botschafter ein. Hinter verschlossenen Türen soll es eine Auseinandersetzung gegeben haben, bei der Putin angeblich Erdoğan einen "Diktator" nannte und versprach, er werde "Syrien zu einem großen Stalingrad für ihn machen".

Erdoğan antwortete öffentlich im Oktober nach dem ersten Luftzwischenfall: Wenn Russland "einen Freund wie die Türkei verliert", mit dem es viel Kooperation gebe, "dann hat Russland viel zu verlieren", sagte er damals in Brüssel. (André Ballin aus Moskau, 24.11.2015)