Ein Händchen für Schumann: Dirigent Daniel Harding.


Foto: Hargreaves

Wien – In jener Szene bei Robert Schumann, da Faust erblindet, kommt dies seltsame Werk zu einem seiner Qualitätszentren – auch dank dieses Baritons: Im Wiener Konzerthaus haucht Christian Gerhaher "Die Nacht scheint tiefer tief hereinzudringen ..." mit eindringlich fahler Tönung. Trotz Zurücknahme der Dynamik breitet sich die Phrase in all ihrer magischen Schlichtheit tragfähig aus. Das Besondere: Gerhaher, das Nonplusultra des Vokalen in dieser Zeit, ist auch bei dramatischen Momenten, die folgen, souverän. Seine Stimme wirkt ungefährdet, ihre eindrucksvolle Färbung bleibt also erhalten, ob es intim klingen soll oder robust und extrovertiert.

Gerhahers Anwesenheit – auch hier bei Schumanns Faustszenen – lässt eigentlich jeden Abend zur Besonderheit werden. Christiane Karg (als Gretchen) oder Franz- Josef Selig (Pater Profundus) demonstrierten allerdings im Konzerthaus durchaus auch hohe Könnerschaft.

Auch die Wiener Symphoniker: Erstmals trafen sie Dirigent Daniel Harding und lieferten eine präzise instrumentale Darstellung faustischer Vorgänge. Ein paar Durchhänger sind unvermeidlich. Sie liegen im disparaten Wesen dieses sich dann aber immer wieder substanzvoll aufbäumenden Werkes. Die orchestrale Umsetzung allerdings hatte immer Leichtigkeit und Präzision. Harding, der einst bei den Berliner Philharmonikern für Nikolaus Harnoncourt einsprang, um diesen Schumann zu dirigieren, sucht Ausgewogenheit und Intensität in Einklang zu bringen. Es gelang. Er sollte den Symphonikern in Zukunft wiederbegegnen.

Auch im Wiener Musiverein ein Musiker, den es wiederzuholen gilt: Für den erkrankten Franz Welser-Möst eingesprungen, überzeugte der israelische Pianist und Dirigent Lahav Shani (Jahrgang 1989) mit unverkrampfter Musizierhaltung und mutiger Ausformung von Intensität. Bemerkenswert die Wiener Philharmoniker: Schon bei Bachs Konzert für Klavier und Orchester d-Moll, BWV 1052, war es ein beschwingtes, aber konzentriertes und jederzeit nötige Akzente setzendes Geben und Nehmen. Die Vorliebe für pianistische Romantizismen war denn auch getragen von sinnerfüllter Musikalität.

Packend Mahlers erste Symphonie: risikoreiches Musizieren und kollektiver Ausdruckswille. Passagen abseits von Routine, eindringliche Details und große Bandbreite des Ausdrucks.

Alles kam überzeugend rüber. Da durfte schon – im Überschwang – bei Tuttistellen ein kleiner Dezibelrausch stattfinden. Großer Applaus für den jungen Könner aus Tel Aviv. (Ljubisa Tosic, 25.11.2015)