Rabenkrähen lernten, wahllose Bilder in zwei Gruppen einzuteilen. Einzelne Nervenzellen reagierten auf alle Bilder, die in eine bestimmte Gruppe gehörten ‒ unabhängig vom Bildmotiv.

Foto: Lena Veit

Tübingen – Zahlreiche Studien haben in den vergangenen Jahren bewiesen, dass Rabenvögel äußerst intelligente Tiere sind: Sie verwenden Werkzeuge, sind ausgezeichnete Problemlöser und besitzen sogar ein ähnlich gutes Verständnis für kausale Zusammenhänge wie fünf- bis siebenjährige Schulkinder – und sie lernen schnell. Wie das Gehirn der Krähen Lernaufgaben meistert, konnten deutsche Forscher nun in einer Studie im Fachjournal "Pnas" nachweisen.

In der den Krähen gestellten Aufgabe ging es darum, beliebige Bilder in zwei verschiedene Gruppen einzuteilen – manche Bilder waren der Farbe "blau" zugeordnet, andere der Farbe "rot". Nachdem sie einen Vogel gesehen hatten, mussten die Krähen z.B. ein rotes Quadrat mit dem Schnabel berühren, wohingegen ein Blumenbild die Auswahl eines blauen Quadrates erforderte. Zunächst mussten die Krähen durch Ausprobieren/Raten lernen, welche Bilder zu welcher Farbe gehörten. Durch Belohnung für jede richtige Antwort lernten die Krähen innerhalb weniger Wiederholungen die passenden Zusammenhänge für jedes neue Bild.

Durch die gleichzeitige Messung von Hirnströmen konnten die Forscher von der Universität Tübingen zeigen, was sich während des Lernens im Gehirn der Krähen abspielt. Einzelne Nervenzellen reagierten unterschiedlich auf die verschiedenen Bilder. Dabei gab es Zellen, die mit ihrer Aktivität die Bilder je nach der erforderlichen Antwort gruppierten: Eine der Zellen antwortete stark auf alle Bilder der Gruppe "blau", eine andere auf Bilder der Gruppe "rot", trotz unterschiedlicher Bildmotive. Die Zellen speicherten also nicht die Bildmotive im Arbeitsgedächtnis, sondern gleich die mit den Bildern assoziierten Antwortgruppen. Dabei spielte es keine Rolle, ob die Krähen die richtige Antwort erst erlernt hatten, oder ob sie die Bilder schon länger kannten.

Lernen innerhalb von Minuten

Den Neurobiologen gelang es, einzelne Nervenzellen über den Lernprozess zu verfolgen. So konnten sie zeigen, dass sich diese Selektivität innerhalb weniger Minuten ausbildet: "Es ist schon erstaunlich, wie schnell die Krähen diese Assoziationen lernen können – und wie man den Nervenzellen beim Lernen zusehen kann", sagt Erstautorin Lena Veit. "Während des Ratens reagierten viele Zellen kaum auf ein unbekanntes Bild, aber nach wenigen Versuchen, sobald die Krähe die richtige Antwort gelernt hatte, zeigten sie für das gleiche Bild die richtige Antwort an."

Diese Art der Speicherung im Arbeitsgedächtnis ist offensichtlich sinnvoll: man muss sich weniger Details merken, und ist gleich auf die richtige Antwort vorbereitet. "Bisher kannte man diese Art der Verarbeitung nur bei Affen", sagt Projektleiter Andreas Nieder. "Es verwundert, dass wir ähnliche Lernstrategien in den unterschiedlich aufgebauten Endhirnen von Vögeln und Säugetieren finden". Die Forscher fanden aber auch kleine Unterschiede zum Lernen bei Säugetieren. "Die große Frage ist nun, was der unterschiedliche Aufbau des Gehirns für das Zusammenspiel verschiedener Hirnregionen beim Lernen bedeutet." (red, 24.11.2015)