Im Restaurant des neuen Bobo-Delikatessmarkts in Wien-Neubau gibt es echt tolle Tapas.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Grandiose, aber kleine Portionen: Weniger ist im Fall von Tapas-Portionen eindeutig nicht mehr.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Ja mei, die neue Markthalle in der Siebensterngasse. Hier soll man dem Vernehmen nach toll einkaufen können, gut essen noch dazu. Letzteres stimmt: Was Küchenchef Alfred Schoch im "Die Liebe" genannten Restaurant von David Kreytenberg an Tapas aus der Küche schickt, macht echt Freude.

Das Angebot des sogenannten Marktes aber schaut noch ausbaufähig aus. Dank des Stands der famosen Fleischerei Dormayer aus Langenzersdorf gibt es zwar einen Grund, hier auch zum Einkaufen vorbeizuschauen. Die Blunzen, das trocken gereifte Rindfleisch, der saftige Pastrami sind Delikatessen, für die man sich bisher auf den Weg in die Peripherie machen musste. Auch die wunderbar fetttriefende Salsiccia al Finocchio (die Dormayer dank der Initiative Maria Fuchs' von Pizza Mari entwickelt hat) gibt es jetzt endlich in der Stadt zu kaufen. Aber sonst?

Happen und extravagante Drinks

Okay, am Standl des Biohofs Rapf kann man pflichtschuldig verschrumpelte Äpfel und auch sonst ein bisserl Obst und Gemüse kaufen. Auf den in einer Ecke verräumten Regalen lässt sich der wunderbare Baladin-Panettone aus dem Piemont entdecken, interessante Craft-Biere aus Italien lungern zwischen Spirituosen, Gelees, Chutneys und anderen, auf dauerhafte Kühlschrankaufenthalte ausgelegten Mitbringseln herum. Das war es auch schon.

Dafür lohnt es umso mehr, auf ein paar Happen und den einen oder anderen jener extravaganten Drinks vorbeizuschauen, die Service-Chef Peter Hubert sich hat einfallen lassen. Das Ingwer-Bier etwa, das er mit Elfi Forstner von der gleichnamigen Handbrauerei bei Graz entwickelt hat, ist in seiner prickelnden Schärfe eine Entdeckung. Auch sonst sollten abenteuerlustige Gaumen nicht zögern, seinen Vorschlägen zu folgen.

Man will schließlich die ganze Bandbreite an Tapas und Pinchos erleben, die Alfred Schoch aus der Küche schickt – gerade bei derart kleinen Happen lohnt es, auch die flüssigen Aufmunterungen zwischendurch zu variieren. Schoch ist ganz ein Guter: zuletzt Chefkoch im Restaurant des Kempinski-Hotels, davor über Jahre an der Seite von Christian Petz, jetzt mit Tapas der richtig elaborierten Art zugange.

Dass er dabei auch noch Augenmerk auf fleischlose Optionen legt – die Hälfte des Angebots ist vegetarisch -, kann als Signal in einer dem kulinarisch Ewiggestrigen verpflichteten Stadt wie Wien kaum überschätzt werden.

Fleischlose Preziosen

Börek aus veganer Blutwurst mag nicht nur in diesem Kontext seltsam erscheinen. Aber nur, bis man das federleichte, zart-knusprige Konstrukt gekostet hat: So filigran, virtuos gewürzt, so logisch mit Spinatsalat kombiniert – will man haben, wurscht, wie vegan.

Oder, vom bösen Ende der Karte, Schweinsohren mit Soba und Koriander: Transparente Schnitten vom gesulzten und geschichteten Waschl, dazu ideal abgestimmte, zitrusfrische und doch sesamschwere Sobanudeln – wui. Gyoza mit Käferbohnenpüree sind wieder brav fleischlos: in hauchzarten Teig gepackte Pilze, hocharomatisch und in der Kombo mit seidiger Bohnencreme geradezu euphorisierend. Wobei: Die Portion ist, auch um 5,50 Euro, mit drei Winz-Tascherln einfach zu mager. Das ist überhaupt der Hauptvorwurf, der der Liebe zu machen ist: Weniger ist im Fall von Tapas-Portionen eindeutig nicht mehr. Gilt auch für die grandiosen Oktopus-Bällchen in Plunderteig, die wunderwürzigen Cochinita-Pinchos mit mexikanisch gewürztem Schwein oder die herrlichen Bacalao-Bällchen. Au ja: Frühstück schaut hier richtig super aus, speziell am Wochenende, wenn Ramen, Eggs Benedict und böhmische Liwanzen aufgefahren werden. (Severin Corti, RONDO, 27.11.2015)