Bild nicht mehr verfügbar.

Flüchtlinge auf dem Weg in das Sammelzentrum an der Slowenisch-Österreichischen Grenze im Gebiet von Spielfeld am Samstag, 21. November 2015

Foto: APA/ERWIN SCHERIAU

Wien – Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) stößt die nächste Debatte an: Vor dem Ministerrat am Dienstag erklärte sie, dass sie eine Obergrenze für Flüchtlinge "andenken" will, denn: Eine solche werde es "faktisch" geben, "weil weder die Bevölkerung noch die Systeme an sich" überfordert werden dürfen. Laut Prognosen für dieses Jahr müsse Österreich mit 95.000 Asylwerbern rechnen – mit einer ähnlichen Zahlen in den kommenden Jahren "kann es nicht so weitergehen".

Zuvor hatte SPÖ-Klubchef Andreas Schieder zu den Obergrenzen erklärt, damit sei es zu halten wie Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel, also: Das Grundrecht auf Asyl sei keine Frage von Obergrenzen und könne dadurch nicht ausgehöhlt werden.

Keine Lösung für Spielfeld

Wenige Minuten später stellte Kanzler Werner Faymann (SPÖ) nach der Regierungssitzung klar, dass eine Obergrenze durch Maßnahmen vor Ort in Syrien entstehe, indem man dort die Flüchtlingslager unterstütze und dazu Maßnahmen an den EU-Außengrenzen wie die Hotspots setze: "Dann werden es weniger." An den nationalen Grenzen sei das Problem jedenfalls nicht lösbar, dazu konnte sich Faymann einen ironischen Seitenhieb auf Mikl-Leitner nicht verkneifen: "Wenn das so einfach wäre, dass die Innenministerin nach Spielfeld fährt" und dort quasi über Obergrenzen entscheiden könne, "dann würde ich ja sagen, beauftragen wir sie."

Debatte über Kontingente

Vizekanzler und ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner geht allerdings ebenfalls davon aus, dass man um die Diskussion über nicht umhinkommen wird. Unter Verweis auf Deutschlands Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel, der mit der Türkei über eine bestimmte Zahl an syrischen Flüchtlingen verhandeln will, die von der EU übernommen werden sollen, erklärte Mitterlehner: "Dort sagt man halt nicht mehr Obergrenze, sondern Kontingent." Er betonte aber auch, dass man Schutzbedürftigkeit nicht nach Zahlen definieren könne. Im Rahmen der europäischen Solidarität werde es aber Kontingente brauchen, um die Flüchtlinge entsprechend aufzuteilen, "denn alles andere wird Deutschland, Schweden und Österreich überfordern."

Semantische Spielereien

Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty, stellt im STANDARD-Gespräch klar: "Bei solchen semantischen Spielereien machen wir nicht mit – egal ob es um Obergrenzen oder Kontingente geht." Das Recht auf Asyl kenne keine Obergrenze. "Eine legitime Forderung" sei eine Weiterverteilung von Flüchtlingen innerhalb der Union – auch nach "zusammenpassenden Gruppen", etwa wenn einzelne Mitgliedsstaaten verstärkt Asylwerber aus bestimmten Herkunftsländern aufnehmen wollen. Aber: Bei der Debatte um die Verteilung müssten sich die Politiker stets "auf Prozent" (also auf Quoten) verständigen – "und nicht auf Festgrößen". Denn, so Patzelt: Alles andere, siehe auch Gabriel, führe "in eine menschenrechtliche Sackgasse".

Asylgipfel im Jänner

Bis spätestens Jänner soll ein Bund-Länder-Gipfel zum Thema Asyl stattfinden. Nachdem Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) moniert hatte, dass dieser – geplant ist aktuell der 20. Jänner – zu spät einberufen werde, erklärten sowohl Faymann als auch Mitterlehner, dass es laut Angaben ihrer Büros offenbar schwierig sei, einen Termin gemeinsam mit allen Landeshauptmännern zu finden. Der 20. Jänner sei daher auch noch nicht fixiert, es seien jedoch Dezember-Termine angeboten worden. Faymann wiederum drängte darauf, dass möglichst viele Länderchefs am Gipfel teilnehmen: "Es wäre gut, wenn alle da wären und nicht die Hälfte." (Nina Weißensteiner, 24. 11. 2015)