Emmanuel Mbolela flüchtete durch die Sahara.

Foto: Matthias Cremer

Wien – Zu Fuß machte er sich auf den Weg nach Europa. Die Flucht führte ihn vom Kongo durch die Sahara nach Marokko. Weil Emmanuel Mbolela auf seiner Flucht Menschen kennengelernt hat, die die Reise nicht überlebt haben, die ihre eigene Geschichte nicht mehr erzählen können, schrieb er seine nieder. "Ich wollte, dass die Menschen die Situation der Migranten aus Subsahara-Ländern verstehen können", sagt er auf der Lesereise zu seinem Buch "Zwischen Widerstand, Flucht und Exil". Die Menschen, die er adressiert, sind die Europäer: "Sie wissen nicht, was auf den Routen, die wir nehmen müssen, passiert. Viele glauben, dass wir einfach in ein Flugzeug steigen und so nach Nordafrika fliegen, aber die Reisebedingungen sind sehr grausam."

Vom Kongo in die Niederlande

Der heutige Menschenrechtsaktivist Mbolela flüchtete 2002 aus der Demokratischen Republik Kongo. Bis 1964 stand diese unter der Kolonialherrschaft Belgiens, bis 1997 folgte die Diktatur unter Joseph Mobutu. Von Anfang der 1990er bis 2003 im Krieg, ist der Staat in Zentralafrika von Korruption, Vertreibung und ethnischen Säuberungen geprägt. Regierungsgegner werden verhaftet, Vergewaltigungen als Kriegsmittel eingesetzt. Laut Schätzungen starben im Kongo in den 1990er-Jahren sechs Millionen Personen.

In seiner Heimat studierte Mbolela Ökonomie und engagierte sich in der "Union für Demokratie und sozialen Fortschritt", weshalb er als Oppositioneller eingesperrt wurde. Mithilfe seiner Familie kam er frei, musste das Land verlassen und ins Exil gehen. "Am signifikantesten an meiner Flucht war die Zeit, als ich durch die Wüste zog. Ich bin um mein Leben gegangen", sagt er zum STANDARD. Nach vier Jahren in Marokko kam er über das UNHCR in die Niederlande.

"Europa hat zugesehen"

"Die EU-Asylpolitik ist eine zynische, sie wird den Menschen nicht gerecht", kritisiert Mbolela. Die EU betreibe eine Politik, die nur der Sicherheit gewidmet sei. Viele, die aus der Subsahara kommen, würden ohne Papiere "aufs Abstellgleis gestellt" und in Asyllager gesperrt. "Die syrischen Flüchtlinge brauchen derzeit besondere Aufmerksamkeit", sagt er und kritisiert, dass die Migranten aus den unterschiedlichen Regionen "auseinanderdividiert" würden. Daher befürworte er, dass Deutschland und Österreich ihre Grenzen geöffnet hatten: "Davor herrschte ein komplizenhaftes Schweigen und Untätigkeit", sagt er.

Viele Flüchtlinge würden es aber nicht an diese Grenzen schaffen. "Viele ertrinken im Meer. Die Bilder kennen alle." Aber auch das Mittelmeer erreichen Flüchtlinge aus Subsaharaländern erst nach einem beschwerlichen Weg durch die größte Trockenwüste der Erde. Visakriterien und erschwerte Familienzusammenführung würden dazu führen, dass dort auch Kinder und Frauen reisen und ihr Leben lassen: "Was in der Wüste passiert, wissen viele nicht, es gibt keine Kameras."

Sklavenrouten

Die Migrationsrouten durch Afrika sind keine neuen. Es sind die Pfade, die früher von den Kolonialstaaten für den Sklaventransport genutzt wurden, "aber auch, um die Reichtümer der Länder abzutransportieren", sagt Mbolela: "Europa hat die Grenzen für Kapital und Bodenschätze, aber nicht für Menschen offen. Das ist ironisch."

Die EU solle begreifen, dass "Menschen nicht grundlos nach Europa kommen und diese Strapazen auf sich nehmen", sagt der Aktivist. Er fordert, dass Flüchtlinge Papiere und Zugang zu Arbeit bekommen, wenn sie in Europa ankommen: "Egal ob sie vor Bürgerkriegen oder Verfolgung geflohen sind oder aus einer schlimmen ökonomischen Situation entkommen wollen. Niemand will nach Europa, um nur das Sozialsystem auszunutzen." (Oona Kroisleitner, 24.11.2015)