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Die Aussage, das der Islam nichts mit islamistischem Terror zu tun hat, mag zwar gut gemeint sein, dürfte ihre Intention jedoch verfehlen.

Foto: REUTERS/Philippe Wojazer

Gerade jetzt wird, wie immer nach Anschlägen, emsig über das Verhältnis zwischen dem Islam und Terrorismus diskutiert. Dabei werden zwei sehr polarisierte Lager offenkundig: Die einen behaupten, dass es gar keine Verbindung gibt, die anderen sehen den Islam als gewaltverherrlichende Religion oder gar als Ideologie. Die Wahrheit liegt wohl – wie so oft – in der Mitte.

Rechte vereinnahmt Religionskritik

Zwei große Problemblöcke innerhalb der EU sind der Terrorismus und der Aufstieg der Parteien des rechten Rands. Diese beiden Trends scheinen in einer Symbiose zu stehen. Die Tatsache, dass Religionskritik fast ausschließlich aus dem "rechtsrechten" Spektrum kommt – da die übrigen Parteien sich vor einem damit möglicherweise einhergehenden Rassismusvorwurf fürchten –, überlässt dem Populismus neue Räume und Sphären.

Diese Parteien haben am schnellsten reagiert und vereinnahmen Werte, von denen sie eigentlich historisch gesehen nicht unbedingt immer die größten Fans waren: Frauenrechte, Homosexuellenrechte und Religionskritik. Dadurch werden sie selbst für Menschen wählbar, die sonst wenig bis gar nichts mit ihnen am Hut haben. Auch Wähler in der "Mitte" der Gesellschaft fühlen sich angesprochen. Dies zeigen etwa die jüngsten Wahlumfragen (Frankreich, Deutschland) und -resultate (Wien). Ein weiteres Problem der Vereinnahmung der Religionskritik durch Rechtspopulisten ist ihre Omnipräsenz. Warum jemand wie Johann Gudenus zu einer Diskussion über Islam überhaupt eingeladen wird, ist ein Resultat davon.

Innere Kritik, Liberalisierung und Öffnung

Als kultureller Moslem und Angostiker vertrete ich eine differenzierte Meinung zu dem Thema. Beide Positionen sind für eine Lösung dieses Konflikts nicht förderlich. Die politische Linke, aber auch die Liberalen dürfen das Thema der Religionskritik nicht zur Gänze den Rechtspopulisten überlassen. Die Aussage, das der Islam nichts mit islamistischem Terror zu tun hat, mag zwar gut gemeint sein, dürfte ihre Intention jedoch verfehlen.

Islamistischer Terror ist ein vieldimensionales Problem. Zahlreiche ökonomische, soziale (zum Beispiel die Marginalisierung von Minderheiten) und historische Faktoren (Kolonialismus, Interventionen, säkulare autoritäre Regime) spielen eine Rolle. Dem ideologischen Faktor jegliche Existenz abzusprechen, ist irrational. Eine 1.400 Jahre alte Ideologie für fehlerfrei zu erklären erschwert es auch liberalen Moslems, eine Art "islamische Reformation" anzustoßen und innere Kritik zu üben. Dabei kann eine kritische Auseinandersetzung mit dem Koran durchaus eine Welle der Liberalisierung und Öffnung der moslemischen Welt bewirken. Konzepte über das Märtyrertum, das Frauenbild und Meinungen zu Andersgläubigen könnten überdacht und revisioniert werden.

Ambivalenz des Korans

Gleichzeitig ist eine Überbewertung der ideologischen Komponente problematisch. Man darf nicht vergessen, dass eine Öffnung nur durch Kräfte innerhalb der Community funktionieren kann. Allzu weitgehende und unreflektierte Kritik "von außen" führt, das weiß man gerade in Österreich aufgrund der Erfahrungen mit den EU-Sanktionen der Jahrtausendwende, zur Solidarisierung der Betroffenen. Auch die positiven Aspekte des Koran müssen herausgehoben werden und könnten dann auch als Basis zur Schaffung von neuen Werten dienen. Die Ambivalenz des Korans wird zwar oft von vielen Religionskritikern kritisiert; dennoch könnte sich auch genau diese Mehrdeutigkeit als vorteilhaft erweisen.

Auch im deutschsprachigem Raum wächst die Anzahl derjenigen, die dem "Das hat nichts mit dem Islam zu tun"-Argument skeptisch gegenüberstehen. Erst vergangene Woche schrieb die deutsch-türkische Migrationssoziologin Necla Kelek einen lesenswerten Artikel über die Auswirkungen dieser Ansicht. Auch der Bundesvorsitzende der deutschen Grünen, Cem Özdemir, äußerte sich ähnlich. Sogar von islamisch-theologischer Seite gibt es Kritiker dieser Meinung. Der österreichische Islamwissenschafter Mouhanad Khorchide spricht von einer Verdrängungsmechanismus, der niemandem hilft.

Kampf gegen Radikalisierung

Der Kampf gegen Radikalisierung ist nicht immer ein auswegsloser, das zeigen uns im deutschsprachigem Raum Ahmad Mansour und im englischsprachigem Raum Maajid Nawaz. Beide sind ehemalige Islamisten, die momentan aktiv gegen die Radikalisierung von Jugendlichen vorgehen. Nawaz wurde zuvor sogar wegen seines radikalen Aktivismus verurteilt. Mittlerweile führt er den antiextremistischen Thinktank "Quilliam". Bedenkt man, dass sich auch zahlreiche Menschen aus Österreich dem "Islamischen Staat" angeschlossen haben, wird es immer mehr an der Zeit, auch hierzulande derartige Kräfte zu aktivieren. (Tuna Bozalan, 23.11.2015)