Es war zum Fremdschämen. Eine derartige Demütigung, wie sie CSU-Chef Horst Seehofer auf dem CSU-Parteitag der deutschen Kanzlerin Angela Merkel zufügte, hat man in der deutschen Politik selten erlebt. Auf offener Bühne kanzelte er sie ab wie ein Schulmädchen.Seinem Spitznamen "Crazy Horst" machte er damit einmal mehr alle Ehre. Was Seehofer geritten hat, ist nicht nachvollziehbar. Klar, der bayerische Löwe muss manchmal brüllen, damit alle – von München bis Berlin – auch wirklich mitbekommen, dass es ihn gibt. Aber eine solche Düpierung war völlig überzogen, zumal es sich bei CDU und CSU ja eigentlich um Schwesterparteien handelt, die im Bundestag eine Fraktion bilden. Erst recht daneben war Seehofers Demütigung, wenn man bedenkt, um welches Thema es geht: um die Flüchtlingskrise, die kein unwichtiger politischer Nebenschauplatz ist, sondern das heikelste und schwierigste Thema, das die deutsche Regierung (die auch von der CSU gebildet wird) in den kommenden Jahren beschäftigen wird. Wie soll man der Politik noch Lösungskompetenz zutrauen, wenn die obersten Vertreter so miteinander umgehen? Der Dämpfer, den Seehofer bei der Wahl zum Parteivorsitzenden erhielt, ist verdient. Wir dürfen nicht so großspurig auftreten, sondern müssen bescheidener und sachorientierter werden, hat er bei seinem Amtsantritt 2008 noch gemahnt. Er sollte sich gelegentlich daran erinnern. (Birgit Baumann, 22.11.2015)