Bild nicht mehr verfügbar.

Die massive Online-Präsenz des IS stürzt Plattformen wie Twitter und Facebook in ein Dilemma.

Die Terrororganisation "Islamischer Staat" (auch "Daesh" genannt) setzt massiv auf Online-Präsenz. Dabei hat man auch Facebook und vor allem den Kurznachrichtendienst Twitter als Werkzeug zur Erreichung der eigenen Ziele entdeckt. Dem IS zugerechnete Accounts bejubeln militärische Erfolge, verbreiten die Ideologie der Miliz und teilen auch Fotos und Videos von Gräueltaten. Ziel ist es, möglichst viele Leute zu erreichen und neue Rekruten anzuwerben.

Propagandamaschine

Auf Basis der Schilderungen ehemaliger, nun inhaftierter IS-Mitglieder, zeichnet die Washington Post das Bild einer riesigen Propagandamaschine. Wo einst noch einfache "Fußsoldaten" wackelige Bilder von der Front liefern, schwärmen heute koordinierte Kamerateams aus, um Material für penibel inszenierte Darstellungen zu sammeln.

Koordiniert wird diese Arbeit von Technik- und Medienprofis, die der IS im Rang seinen militärischen Befehlshabern gleichgestellt hat. Sie erhalten höheres Salär, Steuerbefreiungen, großzügige Wohnräumlichkeiten und andere Annehmlichkeiten für ihre Dienste.

Dilemma

Für Twitter und Facebook, beides US-amerikanische Konzerne, eröffnet dies ein großes Dilemma. Beide Plattformen verschreiben sich medienwirksam der Meinungsfreiheit und spielten bei politischen Ereignissen wie dem "arabischen Frühling" oder dem Sturz der ukrainischen Regierung durch die Maidan-Bewegung eine wichtige Rolle als Kommunikations- und Informationskanal.

Diese Offenheit nutzt der Daesh nun aus und macht die Netzwerke zu seiner Waffe. Lange agierte Twitter auf diese Entwicklung zögerlich. Erst seit sich das Video von der Enthauptung des US-Journalisten James Foley auf dem und durch das Netzwerk wie ein Lauffeuer verbreitete, hat man die Zügel deutlich angezogen, berichtet Wired.

Sperren dämmen IS-Propaganda ein

Ein Experte vom Brookings Institute attestiert den großzügigeren Sperrungen durchaus Wirksamkeit. Das IS-Netzwerk, das sich über Twitter messen lässt, ist in den vergangenen Monaten offenbar nicht mehr gewachsen. Gesperrte Nutzer kämen zwar mit neuen Konten zurück, schaffen es damit aber nicht mehr, so viele Menschen zu erreichen wie zuvor.

Das Hacker-Kollektiv Anonymous und seine Verbündeten sind dabei indirekt zum Partner von Twitter geworden. Die umstrittenen Netzaktivisten verstärken ihre Operationen gegen die Terroristen seit den letzten Anschlägen in Paris. Sie versuchen, mit DDoS-Attacken IS-Webseiten lahmzulegen, Jihadisten-Foren zu infiltrieren und melden auch massenhaft Twitterkonten, die der Organisation zugerechnet werden.

Spagat

Mittlerweile verbietet Twitter in den eigenen Richtlinien das "Bewerben von Terrorismus", bleibt eine Definition des "Tatbestands" allerdings schuldig. Während der Fall bei Mordvideos relativ klar liegen mag, ist die Grenze, an der politische Meinung endet und Propaganda beginnt, schwer zu ziehen.

Ist die Bewerbung puritanischer, strenger Scharia-Gesetze als Alternative zur vom IS attestierten westlichen Dekadenz noch eine Meinung? Sollten Menschen sich öffentlich darüber freuen dürfen, wenn der IS die Einnahme einer neuen Stadt meldet?

Meinungsfreiheit vs. Zensur

Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, die Positionen in diesen Fragen gespalten. Wo sich einige Politiker ein noch strengeres Vorgehen wünschen, gibt es auch Gegenstimmen, die vor Präzedenzfällen warnen, die den Weg für Zensur vorbereiten, wenn der Gegner nicht mehr der IS ist.

Für Mark Wallace, Chef des Counter Extremism Project, sind die Botschaften des IS vergleichbar mit Kinderpornographie, gegen die auch rigoros vorgegangen würde. Jillian York von der Electronic Frontier Foundation fragt hingegen, ob flächendeckende Ausblendung der Daesh-Botschaften tatsächlich in das Bild einer demokratischen Gesellschaft passt.

Dazu gilt es zu bedenken, dass Plattformen wie Twitter und Facebook aufgrund ihrer schieren Reichweite große Verantwortung trage. Ein hinterfragenswerter Zustand, denn immerhin können sie willkürlich entscheiden, wer sprechen darf und wer nicht. (gpi, 22.11.2015)