1995 erschien "Opernball", der vieldiskutierte und 1998 sogar verfilmte Roman von Josef Haslinger. Eine mit den Neonazis sympathisierende radikale Gruppe verübt einen Giftanschlag auf den Wiener Opernball – eingebettet in jene Demos rundherum, auf die sich die Polizei konzentriert. Die Regierungsspitze kommt um und mit ihr über tausend Besucher des Balls.

Heute, zwanzig Jahre später, ist die Gefahrenlage bekanntlich anders. 2016, wenn der Opernball wieder veranstaltet wird, dürfte es wie schon seit Jahren keine Demonstrationen mehr geben. Aber der islamistische Terror ist mitten unter uns. Und in der Woche nach den Pariser Anschlägen ist seine tödliche Wucht auch außerhalb Frankreichs spürbar.

Was in den Analysen und Kommentaren nicht vorkommt, ist der unbändige Hass der Brandstifter des "Islamischen Staates" auf die westliche Kultur. Die teilweise Zerstörung der Gedenkstätten im syrischen Palmyra ist schon wieder in den Hintergrund getreten, obwohl es einen Zusammenhang mit Paris gibt.

Gefährdete Kultursymbole

Im Bataclan schießen die Terroristen wahllos auf die Besucher. Am Tag darauf beherrscht, im Unterschied zum Anschlag auf das Satiremagazin "Charlie Hebdo", die Pariser das Gefühl, jetzt könnte es jeden treffen. Eine Bedrückung legt sich auf die Stadt wie auch 2005 in London nach den schrecklichen U-Bahn-Anschlägen.

In den Videos des IS sind Russland und Frankreich jene Länder, gegen die am häufigsten gehetzt wird, neben Washington und Paris wird auch Rom als Terrorziel genannt. Deutsche oder skandinavische Städte werden ebenso wenig aufgezählt wie Wien, wie Athen oder Madrid.

Trotzdem müssen Kultursymbole wie Opernhäuser und Musikhallen als gefährdet betrachtet werden. Die französische Polizei hat nicht damit gerechnet, dass Bataclan attackiert werden könnte. Die österreichische Polizei scheint nicht zu glauben, dass die Wiener Oper ein Terrorziel sein könnte. War ja vor zwanzig Jahren nur so eine krause Dichteridee.

Trotzige Heiterkeit

Wer dieser Tage zu abendlichen Beginnzeiten an der Oper vorbeispaziert, merkt jedenfalls keine erhöhte Präsenz der Polizei.

Und den bloß auf politische Wirkung bedachten Politikern wie dem ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka scheint es ohnehin nur um den "Staatsschutz" zu gehen. Obwohl bei einer Tagung in Wien erst kürzlich ein US-Experte erklärt hat, dass die Massenüberwachung "vollkommen versagt" habe. Trotz immer massiverer Observierung habe weder 9/11 noch London 2005 oder der Anschlag auf den Boston Marathon verhindert werden können. Die Täter waren den Behörden sogar bekannt – wie jetzt der Pariser Drahtzieher, der unter den Augen der Überwacher seit Monaten in Europa hin und her reiste. Er war verdächtig, "nicht mehr und nicht weniger" (oftmaliger O-Ton von Johanna Mikl-Leitner).

Den Opernball 2016 sollte man absagen. Wenn man es tut, wird man es nachher nie wissen, ob er akut gefährdet gewesen wäre. Ihn trotzdem abzuhalten mit trotziger Heiterkeit kann gutgehen. Oder auch nicht. (Gerfried Sperl, 23.11.2015)