Kairo – In Ägypten ist die zweite Runde der Parlamentswahl schleppend angelaufen. Wie schon bei dem ersten Wahlgang im Oktober waren am Sonntag auch in der Hauptstadt Kairo und zwölf weiteren Provinzen nur wenige Menschen an den Wahllokalen zu sehen. Wegen des Verbots der islamistischen Muslimbrüder gebe es kein wirkliches Votum, bemängelten viele. "Es gibt keinen Grund abzustimmen, diese Wahl bedeutet nichts. Die Kandidaten treten doch nur an, um in den Genuss von Vorteilen zu kommen", sagte ein Student.

Insgesamt werden 568 Abgeordnete bestimmt – 448 davon direkt und 120 über Listen. Quoten sind für Frauen, Christen und Jugendliche vorgeschrieben. Bei der zweiten Runde, die bis einschließlich Montag dauert, stehen 222 Parlamentarier direkt und 120 über Listen zur Wahl. Das Endergebnis wird nicht vor Dezember erwartet.

Ägypter desillusioniert

Vor drei Jahren strömten Ägypter noch in großer Zahl und mit Enthusiasmus zu den Wahllokalen. Inzwischen sind sie desillusioniert. Im Juni 2012 hatte ein Gericht die Auflösung des gerade gewählten Parlaments angeordnet, in dem die islamistischen Muslimbrüder die stärkste Kraft geworden waren.

Ein Jahr später stürzte der damalige Armeechef Abdelfattah al-Sissi den demokratisch gewählten islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi. Die Muslimbrüder wurden als terroristische Organisation eingestuft und verboten. Sissi selbst wurde 2014 zum Präsidenten gewählt. Er gab seine Stimme am Sonntagmorgen kurz nach Öffnung der Wahllokale in einer Mädchenschule in Kairo ab.

Sisi bleibt am Ruder

Ägypten wird seit der Auflösung des von Islamisten dominierten Parlaments im Jahr 2012 ohne Abgeordnetenhaus regiert. Im Oktober hatten vor allem Unterstützer von Präsident Abdelfattah al-Sisi Mandate errungen – es wird nicht erwartet, dass das Parlament die Macht des autoritären Herrschers brechen kann. (Reuters, APA, 21.11.2015)