Villach/Wien – Das Datum hat sie noch genau im Kopf. 4. April 2008. Ein Meilenstein in der sportlichen Karriere der Tanja Schett. Und ein bisschen auch in der Geschichte des österreichischen Fußballs. Erstmals durfte eine Österreicherin ein Spiel in der Männer-Bundesliga pfeifen. Austria Amateure gegen den FC Lustenau. Eine Partie der zweitklassigen Erste Liga. Die Wiener gewannen 1:0, Schett verteilte fünf gelbe Karten, ansonsten keine nennenswerten Ereignisse. Ein durchaus gelungenes Debüt also.
Jedenfalls viel besser als Schetts Premiere als Schiedsrichterin. 19 Jahre alt war die heute 41-jährige Kärntnerin, als sie erstmals ein Fußballspiel pfiff – eine U10-Partie in Fuschl (Salzburg). Schett war überhaupt nicht mit sich zufrieden. Die Buben hätten ihr gesagt, sie sei zu unsportlich. "Kinder sind immer am ehrlichsten. Sie hatten recht." Im danach ausgestrahlten TV-Beitrag sei ihr das auch aufgefallen.
Also ließ Schett, die heute Hausott heißt, das Schiedsrichtern vorerst sein. Aber der Ehrgeiz war ungebrochen. "Ich habe Tag und Nacht trainiert." Ein Gespräch mit Maria Trampusch, wie Schett Kärntnerin und Schiedsrichterin, motivierte sie zusätzlich zum Weitermachen.
Schneller Aufstieg
Ein paar Jahre nach dem Debüt pfiff Schett wieder ein Fußballspiel. "Da hat es besser gepasst." Das Schiedsrichtern wollte sie nicht mehr sein lassen. Schett leitete zunächst Nachwuchspartien. "Dann ging es Schlag auf Schlag." Im Jahr 2003, 28-jährig, wurde sie Fifa-Schiedsrichterin, in Österreich war sie ab 2004 in der Regionalliga der Männer tätig. "Ich bin immer besser geworden", sagt sie. Das Ziel war klar: die Bundesliga – als Frau die besten Männer im Land pfeifen.
Von den Schiedsrichterkollegen sei sie teils freudig, teils skeptisch aufgenommen worden. "Die Männer hatten Probleme, weil ich vielleicht besser war als sie." Aber, sagt Hausott, "ich bin durch Leistung nach oben gekommen." Und die Sache mit dem Respekt der Kollegen wurde mit der Zeit auch besser.
Der Referee, egal ob Mann oder Frau, ist eher nicht der beliebteste Mensch auf einem Fußballplatz. "Ja, leider", sagt Hausott. Ihre Schwiegereltern hätten ihr erzählt, dass die Leute "schon schiache Sachen" reinrufen würden. "Aber das hört man nicht."
Eine dicke Haut musste sich Hausott zwangsläufig zulegen. "Das hat mir nicht geschadet." An einen Zuschauerzuruf erinnert sich die Kärntnerin dann doch: "Wenn du nicht g’scheit pfeifst, schneid’ ich dir die Haare ab." Der Mann habe zunächst nicht wahrgenommen, dass eine Frau das Spiel leitete. "Als Entschuldigung hat er sich danach mit einem Friseurgutschein eingestellt."
Leben für den Fußball
"Man muss ein bisschen narzisstisch veranlagt sein, um den Job zu machen", sagt Hausott. "Aber mir hat es getaugt." Die Schlachtgesänge fand sie "cool". Die Chance auf eine internationale Karriere, das Reisen, Leute kennen lernen – all das gefiel ihr an ihrem Nebenjob. "Ich bin jedes Wochenende auf dem Platz gestanden. Ich habe Tag und Nacht für den Fußball gelebt." Leben konnte sie davon trotzdem nicht.
Hauptberuflich war und ist Tanja Hausott Volksschullehrerin. Seit 19 Jahren. Seit fünf Jahren unterrichtet sie an der VS 2 Villach. Die Erzählungen vom Fußball kämen vor allem bei den Buben gut an. Und daheim ist Sport sowieso ein großes Thema. Ihr Mann Erik Hausott, mit dem sie seit 2012 verheiratet ist, ist ebenfalls Schiedsrichter – für Fußball und Eishockey. "Im Fernsehen läuft bei uns praktisch jeden Tag Fußball."
Seit frühester Kindheit interessiert sich Hausott für Fußball. "Ich bin am Fußballplatz aufgewachsen." Ihre Mutter kickte für das Frauenteam von Magdalen in der Kärntner Liga. Selbst zu spielen reizte die Tochter nicht. Aber zu pfeifen, das reizte. 19-jährig, als sie in Salzburg lebte und studierte, bewarb sie sich auf ein Zeitungsinserat: "Schiedsrichter gesucht". Schett absolvierte den Lehrgang und eben das erste Spiel in Fuschl.
Erinnerung an Marta
Es sollten "mindestens 700" weitere Spiele folgen. "Oder 1000." Hausott weiß ad hoc nicht wie viele Partien sie geleitet hat. "Ich bin keine Statistikerin." Aber an ein paar Spiele erinnert sie sich besonders gut, nicht nur an jenes quasi historische am 4. April 2008 in der Erste Liga. Auch an das Halbfinalspiel im Uefa-Women’s Cup (heute Champions League) am 30. März 2008 zwischen Olympique Lyon und Umea – "vor 12.000 fanatischen Fans". Und mit Marta, der fünfmaligen Weltfußballerin aus Brasilien. Die Partie bezeichnet sie als ihren Karriere-Höhepunkt.
Obgleich Hausott lieber Männer- als Frauenspiele leitete. In Österreichs zweithöchster Männerliga kam sie auf 40 Einsätze, das letzte einschlägige Spiel war die Begegnung zwischen Grödig und Altach (1:2) am 18. Mai 2012. In der höchsten Liga waren es null Einsätze. Die Schweizerin Nicole Petignat, die Anfang des Jahrtausends im Rahmen eines Austauschprogramms eingesetzt wurde, ist damit bis heute die einzige Frau, die Spiele in Österreichs oberster Spielklasse pfeifen durfte.
Vorrang für Männer
Warum es Schett nicht nach ganz oben schaffte? "Sie wollten keine Frauen haben", sagt sie. Die Leistungsanforderungen hätte sie erfüllt, "aber mir sind immer Männer vorgezogen worden". Vor vier Jahren erkrankte sie dann an Pfeifferschem Drüsenfieber. "Dann habe ich es nicht mehr geschafft." Mit der Schiedsrichterei war da aber noch nicht Schluss. Hausott pfiff weiter – bis zum 20. Mai 2014. Austria Klagenfurt gegen Lendorf, Finale des Kärntner Cups. Es war ihr letztes Bewerbsspiel. Und das hatte es in sich. Nach Tumulten musste sie einen Spieler des Feldes verweisen. Dann war Schluss. Vorerst. "Ich habe mir gedacht, wenn ich es nicht in die Bundesliga schaffe, dann lasse ich es."
Es verging kein Jahr, da stand Hausott wieder auf dem Platz. Mit der Pfeife im Mund. "Es hat mir gefehlt." Seit April schiedsrichtert sie in einer Hobbyliga. "Weil es einfach cool ist." Den Job der Fifa-Schiedsrichterbeobachterin hätte Hausott auch cool gefunden. "Das war eine große Option", sagt sie. "Aber", erzählt sie, "mir wurde gesagt, es gäbe dafür nur sechs Stellen in Österreich." Und diese seien mit Männern besetzt gewesen.
Auch wenn es Tanja Hausott nicht nach ganz oben schaffte, sie sieht sich als Vorreiterin. Was bleibt? Der Spaß am Pfeifen und die Erinnerungen – vor allem an den 4. April 2008. (Birgit Riezinger, 23.11.2015)