Schwarzau im Gebirge / Loipersbach – Der verschmutzte Fluss richtete bei Mensch und Tier schweren Schaden an. Ein Smalte-Hersteller, der sein pigmentiertes Glaspulver am Oberlauf produzierte und vielen Anrainern Arbeit gab, führte Arsen ungefiltert mit dem Abwasser ab: "Den Leuten fielen die Haare aus. Vieh starb, und Brunnen waren im Umkreis der Fabrik vergiftet", fasst ein Bericht die Zustände zusammen.

Dem Smalte-Hersteller, der aufgeben musste, folgten Papierfabriken und Eisenwerke an den Schwarza-Ufern in der gleichen Gegend. Die Abwässer wurden "dem Fluss zugeleitet". Nach wenigen Jahren galt der Wasserlauf als tot, heißt es im Bericht.

Dieser stammt nicht aus einem jener heutzutage ärmeren Länder, in die im Zeichen der Globalisierung die industrielle Produktion ausgelagert worden ist, sondern aus der Jubiläumsschrift "50 Jahre Schwarza-Wasserverband" und rekapituliert, was im 18. und 19. Jahrhundert im südlichen Niederösterreich geschah, in Hirschwang und Schlöglmühl am Fluss Schwarza.

Die Schwarza hat die industrielle Produktion entlang ihrer Ufer gut verkraftet.
Foto: Christian Fischer

Erstes Industriegebiet

Dort bestand einst ein wichtiges Industriegebiet – in einer Gegend, die heute als idyllisch und, auch unterhalb des unberührt gebliebenen Höllentals, als naturbelassen gilt, in die man zum Wandern, Klettern, Relaxen oder ins Reichenauer Sommertheater fährt.

Wer offenen Auges durch das obere Schwarzatal fährt, erkennt, dass diese scheinbare Naturbelassenheit eine jahrhundertelange industrielle Vorgeschichte hat, mit allen Folgen, die frühe Fabriken für die Umwelt hatten.

Da ist zum Beispiel das jetzt großteils ungenutzte Schlöglmühler Firmengelände mit seiner verfallenden Industriearchitektur und dem vom Fluss abgezweigten Werkskanal: einem von mehreren Kanälen für Firmen und kleine Wasserkraftwerke am 77,6 Kilometer langen Flusslauf zwischen Schwarzau im Gebirge und Loipersbach – erläutert Wasserverbandsgeschäftsführer Fritz Weninge.

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Heute ist sie wieder ein Refugium für Wildtiere wie den Fischotter.
Foto: AP/Jordan Stead

Da stehen in Hirschwang, hart im Schatten der Rax, Werksiedelungen von einst: unländlich, drei Stock hoch, manche immer noch mit den Resten kaisergelber Tünche versehen. Im ganzen Tal sind die ehemaligen Arbeiterunterkünfte heute vielfach in Eigentumswohnungen aufgeteilt.

Denn nicht nur Bauern und Fischer, auch Kapitalisten und Proletarier vergangener Jahrhunderte lebten von der Schwarza: Industrie ohne Wasserzufuhr ist undenkbar. Rücksichten auf Wasserqualität und Ökologie des Flusses gab es genauso wenig wie Achtstundentag und Sozialleistungen; so wie es heute, in ungleich zerstörerischerem Rahmen, in China, Teilen Asiens und Afrikas ist.

An der Schwarza dauerte der bedenkenlose Umgang mit den natürlichen Ressourcen – auch privater Haushalte, was Abwässer betraf – bis in die 1960er-Jahre. Erst "durch die flächendeckende Erfassung der Abwässer und Reinigung in zentralen Großkläranlagen" sei die Verschmutzung zurückgegangen, steht in der Jubiläumsschrift.

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Aufgrund der ständigen Bedrohung durch Hochwasser wird dem Fluss nun mehr Platz eingeräumt.
Foto: APA/EINSATZDOKU.AT

Gute Wasserqualität

Die Qualität des Wassers ist inzwischen okay. Dafür gibt es größere Probleme mit seinem wiederkehrenden mengenmäßigen Anschwellen: mit Hochwasser. Der Wasserverband, der alle Gemeinden am Schwarza-Verlauf abgesehen von der Kurgemeinde Reichenau umfasst, koordiniert die Gegenmaßnahmen.

Es gelte die Anrainer vor einem Jahrhunderthochwasser (HQ 100) abzusichern, erläutert Weninger. Aufgrund des Klimawandels steigt deren Wahrscheinlichkeit. An einem Fluss, der seit Menschengedenken innerhalb eines halben Tages vom seichten Rinnsaal mit friedlichen Buchten, über denen Libellen kreisen, zum reißenden Strom werden kann, der Brücken zerstört und Häuser unbewohnbar macht, ist das keine leere Drohung.

Um wiederholte große Schäden hintanzuhalten, wird der Schwarza, für den Fall der Flut, jetzt mehr Platz gegeben. In Reichenau sowie in Gloggnitz sind weitläufige Retentionsräume in Bau. Damit verabschiedet man sich zumindest an zwei Stellen von der versagensanfälligen Strategie des Bauens immer höherer Dämme. Retentionsräume haben aber noch einen weiteren Effekt, hier wie im ganzen Land: "Dort erhöht sich die Biodiversität", heißt es im Büro des niederösterreichischen Landesrats Stephan Pernkopf (ÖVP). (Irene Brickner, 26.11.2015)