Deutschkurs in Wien: Ohne gute Sprachkenntnisse ist für anerkannte Flüchtlinge ein Andocken an den Arbeitsmarkt illusorisch. Die Kosten für ihren Spracherwerb übernimmt zum Großteil nicht das Integrationsministerium, sondern das im Sparkurs befindliche Arbeitsmarktservice.

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Wien – Schöne Worte vom Podium, irritierte Fragen von den zahlreichen, auch internationalen Journalisten: Bei der Vorstellung des 50-Punkte-Plans zur Integration anerkannter Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigter in Österreich kam Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) und seinem Expertenrat-Leiter Heinz Faßmann so manche Floskel und so manches literarische Zitat über die Lippen.

Schutzberechtigte brauchten "klare Perspektiven, aber auch klare Regeln", denn "das Recht auf Asyl kennt auch Pflichten", sagte da ein hörbar heiserer Kurz. "Flüchtlinge sind gekommen, Bürger sollen sie sein", interpretierte Faßmann das Max-Frisch-Zitat von den Arbeitskräften, die man gerufen, und Menschen, die gekommen seien, neu.

50.000 Asylberechtigte

Üppig präsentiert sich auch der Integrationsplan, das eigentliche Thema der Veranstaltung: Vom "zweiten Kindergartenjahr" zur "wissenschaftlichen Begleitforschung" spannt sich der Katalog. Nutzen soll er, so Kurz, jenen rund 50.000 von den schätzungsweise 95.000 Menschen, die 2015 Asyl beantragt haben – oder noch beantragen werden – und Schutz zuerkannt bekommen.

Der Aufgabe, sie alle – und jene, die noch folgen werden – zu integrieren, steht der Integrationsminister durchaus gespalten gegenüber: Die fortgesetzte Fluchtbewegung überfordere Länder wie Österreich, Deutschland und Schweden, sagte er zu Beginn des Pressegesprächs. Um gegen Ende, in der Fragenrunde, zu versichern: Einmalig, also nach dem heurigen Jahr, sei Österreich "durchaus imstande, 50.000 Schutzberechtigte aufzunehmen".

Immerhin würden jährlich darüber hinaus rund 150.000 Migranten ohne Fluchtgründe nach Österreich zuwandern und 100.000 es wieder verlassen – was einem Wanderungssaldo von weiteren 50.000 Menschen gleichkommt.

"Erstens Spracherwerb"

"Erstens Spracherwerb, zweitens Einführung am Arbeitsmarkt, drittens Vermittlung österreichischer und europäischer Grundwerte": So setzt der Minister bei den 50.000 anerkannten Flüchtlingen und Schutzberechtigten die Prioritäten. Für Integrationsmaßnahmen stehe im Budget 2016 "ein Topf von 75 Millionen Euro zur Verfügung", wiederholte er.

Ein dem STANDARD von den Grünen übermittelter Auszug aus einer Budgetanalyse des Budgetdienstes konkretisiert: Die 75 Millionen könnten "im Rahmen einer Ermächtigung aus der Marge des Finanzrahmens in Anspruch genommen werden". Laut Finanzministerium sollen damit nicht nur Projekte aus dem Integrationsministerium dotiert werden, sondern auch darüber hinaus.

Deutschkurse vom AMS

Die meisten Deutschkurse für die – voll arbeitsberechtigten – anerkannten Flüchtlinge wiederum werden vom Arbeitsmarktservice (AMS) organisiert. Das Geld dafür stammt nicht aus Integrationstöpfen, sondern aus dem 2016 mit 70 Millionen Euro veranschlagten "Programm für Arbeitsmarktintegration".

Angesichts des AMS-Sparkurses werde sich das "nicht ausgehen", meinen die Grünen. Auch von der Wiener SPÖ kam Kritik: "Kurz lehnt sich zurück und schiebt noch mehr Verantwortung an das AMS ab", sagte die Wiener Stadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ).

Gemischte Reaktionen gab es von neuem auf den Vorschlag, in den Schulen an den Nachmittagen "pädagogische Interventionsmaßnahmen" für Schüler einzuführen, die "radikales oder rassistisches Verhalten" an den Tag gelegt hätten. Der Grünen-Bildungssprecher sprach von "schwarzer Pädagogik". Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung sehen das insgesamt anders: Der 50-Punkte-Plan biete eine beeindruckende Palette von Maßnahmen, hieß es von dort.

Manches "längst möglich"

Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) hat am Freitag knapp, aber doch seine Bereitschaft erklärt, über den "Integrationsplan" von Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) zu "diskutieren". Manches allerdings sei gesetzlich ohnehin schon "längst möglich", anderes "bereits jetzt oder demnächst in Umsetzung", so Hundstorfer in einer Aussendung.

Die Möglichkeit, die Mindestsicherung zu kürzen, sei "eindeutig in der 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern festgelegt", so Hundstorfer. "Jedem Mindestsicherungsbezieher, der verpflichtende Maßnahmen nicht annimmt, kann die Mindestsicherung gekürzt werden, in schweren Fällen bis zur Gänze. Dies betrifft natürlich auch Asylberechtigte, wenn sie Mindestsicherung beziehen und verpflichtende Deutschkurse oder andere Maßnahmen nicht besuchen." Wesentliche Punkte im Bereich der Arbeitsmarktpolitik seien schon auf Schiene. "Über alle anderen Maßnahmen könne man diskutieren", wurde Hundstorfer in der Aussendung seines Ministeriums zitiert. (Irene Brickner, APA, 19.11.2015)