Beim Öffentlich-Rechtlichen des Nordnachbarn ist nahezu täglich eine Runde versammelt, um auch Aktuelles zu durchleuchten

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So ausdauernd der ORF mithilfe seiner Korrespondenten in Echtzeit informiert – gegenwärtig ist Eva Twaroch in Frankreich im Dauereinsatz –, so sehr verordnet sein Programmmenü den Fans eine Diät, was Reflexionsformate anbelangt. Ist beim öffentlich-rechtlichen Nordnachbarn nahezu täglich eine Runde versammelt, um auch Aktuelles zu durchleuchten, muss hierzulande (unter der Woche) auf die Gnade eines runden Tisches gehofft werden.

Unausweichlich also das Rüberrollen zum Nachbarn. Es empfiehlt sich dieser Tage sogar, Lanz zu ertragen, wenn es um die Aufarbeitung der Terroranschläge in Paris geht.

Da sitzt also Literat Salman Rushdie, der weiß, was Todesangst bedeutet – neben ihm: Carla Amina Baghajati, die einst keine Muslima war. In jener Zeit aber, als Rushdie sich wegen seiner Satanischen Verse mit Überlebensfragen auseinandersetzen musste, ging Baghajati in eine Buchhandlung, um Rushdies Buch zu erwerben. Es lag jedoch in Griffnähe der Koran. Den wählte sie schließlich.

Leider geraten beide erst zu Ende der Sendung ein bisschen aneinander. Rushdie, der froh ist, ohne Religion aufgewachsen zu sein, rügt freundlich: "Hätten Sie besser das andere Buch gekauft!" Baghajati: "Man kann beide Bücher lesen." Rushdie: "Klar können Sie beide lesen, eines der beiden ist ja sogar gut ..." Baghajati wirkt ein bisschen gekränkt.

Die Runde war zu groß, um Baghajati und Rushdie intensiv ins Gespräch zu bringen. Schade. Aber immerhin gab es eine Plattform, die sie zusammenführte. Am Mittwoch, nach 23 Uhr, also an einem Tag und zu einer Abendzeit, da früher ein Club 2 verhindert hätte, dass zu Lanz rübergerollt wird. (Ljubisa Tosic, 20.11.2015)