"Solange die Umsetzung all der im Reformpaket angestellten Überlegungen bei den Gemeinden, den Bürgermeistern und den Trägern liegt, ist das warme Luft", findet Heide Lex-Nalis.

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STANDARD: Sie bezeichnen die Reform als Themenverfehlung. Wieso?

Lex-Nalis: Wir haben erwartet, ein echter Teil des Bildungssystems zu werden. Mit allen Folgen, die das mit sich brächte: eine der Schule analoge Ausbildung der Pädagoginnen, bundesweit einheitliche Qualitätsstandards, einheitliche organisatorische und zeitliche Arbeitsbedingungen.

STANDARD: Die Neugestaltung der PädagogInnenausbildung erfolgte 2011 ohne Einbeziehung der Elementarpädagoginnen? Waren das also überzogene Erwartungen?

Lex-Nalis: Mag sein. Aber wir wollen endlich nicht nur in Sonntagsreden erklärt bekommen, was der Kindergarten alles leisten soll. Nur, solange die Umsetzung all der im Reformpaket angestellten Überlegungen bei den Gemeinden, den Bürgermeistern und den Trägern liegt, ist das warme Luft.

STANDARD: Bis 2016 sollen bundeseinheitliche Qualitätsstandards erstellt werden. Ist das nichts?

Lex-Nalis: Das ist doch unglaublich! Genau das sollte im Zuge der 15a-Vereinbarungen, wenn Bund und Länder über die Geldverteilung verhandeln, bereits geschehen. Es scheitert aber immer daran, dass die Länder nichts anderes zusammenbringen, als sich auf Mindeststandards zu einigen. Daran soll sich laut Reformpaket auch nichts ändern. Unfassbar, dass ignoriert wird, dass es längst national und international passende Definitionen dafür gibt, wie die Rahmenbedingungen für all das, was man uns auferlegt, auszusehen haben. Und das seit mehr als 20 Jahren. Wir verstehen nicht, was man da ausverhandeln muss.

STANDARD: Zeitgleich bekommt der Kindergarten jetzt neue Aufgaben zugeschrieben. Was halten Sie etwa vom Bildungskompass?

Lex-Nalis: Das hat in unserer Community auch Erstaunen ausgelöst. Wir haben immer schon versucht, Stärken und Schwächen der einzelnen Kinder festzustellen. Das steht alles längst auf dem Papier. Das Problem ist nur: Es kann nicht umgesetzt werden. Auch wenn das Ding jetzt auf einmal Bildungskompass heißt, wird sich nichts daran ändern, dass die Pädagoginnen weder Zeit dafür haben noch die entsprechende Ausbildung.

STANDARD: Dafür kommt das zweite Pflichtkindergartenjahr.

Lex-Nalis: Fast 100 Prozent aller Vierjährigen besuchen bereits den Kindergarten. Das bringt uns nicht weiter! Vor allem nicht, was ihre Bedürfnisse und Potenziale anlangt. Die Pädagoginnen geraten nur noch mehr unter Druck. Die sprechen schon von einem Belastungs- statt einem Reformpaket.

STANDARD: Können Sie etwas Positives an dem Papier erkennen?

Lex-Nalis: Ich könnte freundlich sein und sagen: Ja, es ist gut, dass sich eine Kommission überhaupt einmal mit uns beschäftigt. Aber vieles von dem, was uns hier präsentiert wird, ist unausgegoren und fachlich fragwürdig.

STANDARD: Fehlt es am Verständnis oder am Geld?

Lex-Nalis: Zum einen herrscht noch immer die Vorstellung, der Kindergarten ist in erster Linie eine Betreuungseinrichtung und ergänzt ein bisschen das, was von der Familie nicht geleistet werden kann. Das heißt: Zubringeinrichtung für die Schule sein. Diese Mischung aus traditionellem Familienbild und der Vorstellung, Bildung wäre gleich schulisches Lernen, führt dazu, dass der Kindergarten als eigenständige Bildungseinrichtung nach wie vor nicht in den Köpfen ist. Beim Finanziellen würde ich gerne analysieren, ob die Kosten für die Bildungsanstalten für Kindergartenpädagogik nicht viel zu hoch sind, wenn man bedenkt, wie wenige dann wirklich im Beruf landen.