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Unverrichteter Dinge mussten die deutschen Fahnenträger aus dem Stadion in Hannover wieder abziehen, das Spiel wurde abgesagt.

Foto: AP / Michael Sohn

Es hätte ein starkes Signal werden sollen: Der Fußball trotzt dem Terror. Nur wenige Tage nach den Anschlägen von Paris wollten die deutsche und die niederländische Elf gegeneinander in Hannover zum Länderspiel antreten. Doch während im Londoner Wembley-Stadion vor der Partie Frankreich gegen England aus zehntausenden Kehlen die Marseillaise erklang und danach gespielt wurde, herrschte in Hannover Schweigen.

Gut eineinhalb Stunden vor Anpfiff wurde das Match von der Polizei abgesagt. Im Stadion waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht viele Besucher; diese wurden aufgefordert, den Ort zügig und ohne Panik zu verlassen.

Am späteren Abend trat der deutsche Innenminister Thomas de Maizière (CDU) vor die Presse, um die Absage zu begründen: "Die Hinweise auf die Gefährdung des heutigen Fußballspiels haben sich im Laufe des Abends so verdichtet, dass wir nach Abwägung dringend empfohlen haben, dieses Länderspiel abzusagen."

Bitte um "Vertrauensvorschuss"

Nähere Angaben wollte er nicht machen. Er erklärte bloß: "Die Quelle und das Ausmaß der Gefährdung möchte ich nicht weiter kommentieren. Ein Teil der Antworten würde die Bevölkerung verunsichern." Er bat jedoch "die deutsche Öffentlichkeit um einen Vertrauensvorschuss" und betonte, "dass wir bittere Gründe hatten, uns so entscheiden".

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel war zu diesem Zeitpunkt schon wieder auf dem Weg zurück nach Berlin. Sie war mit de Maizière in der gleichen Regierungsmaschine von der deutschen Hauptstadt nach Hannover geflogen, um dort – gemeinsam mit ihm, Justizminister Heiko Maas (SPD) und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) – das Spiel im Stadion zu verfolgen.

"Keine Festnahmen und kein Sprengstoff"

Deutsche Medien berichten, Berlin habe vom französischen Geheimdienst einen Hinweis auf einen bevorstehenden Sprengstoffanschlag bekommen. Am Mittwochmorgen jedoch erklärte eine Sprecherin der Polizei: "Es gab keine Festnahmen und keinen Sprengstoff."

Holger Münch, der Chef des deutschen Bundeskriminalamtes (BKA), sagte nach der Absage des Fußballspiels, Deutschland sei "erklärtes Angriffsziel islamistischer Terroristen". Es gebe aber derzeit keinen weiteren konkreten Anhaltspunkt für ein weiteres Anschlagsziel. Wegen der großen Verunsicherung gebe es zwar "sehr, sehr viele Hinweise" von besorgten Bürgern auf verdächtige Personen. Die Behörden gingen dem auch nach. Grundsätzlich gelte aber: "Wir müssen die Spreu vom Weizen trennen."

Im Visier des IS

Er betonte auch, es gebe "keine belastbaren Erkenntnisse", wonach jihadistische Gruppen den Andrang von Flüchtlingen zur Einschleusung von Terroristen nach Deutschland nutzten. Ein "großes Risiko" hingegen sei die Anwerbung von jungen Flüchtlingen durch Salafisten. Es brauche hier Integrationsmaßnahmen, um Zuwanderern schnellstmöglich Sicherheit und Halt in der deutschen Gesellschaft zu bieten.

Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen sieht Deutschland ebenfalls im Visier der Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS): "Deutschland ist Feind des IS." Er erklärte auch, dass es keine hundertprozentige Sicherheit gebe: "Wenn der IS uns treffen kann, wenn der IS Terroranschläge in Deutschland durchführen kann, dann wird er es tun – das ist unsere große Sorge."

Keine Änderung der Lebensweise

Die Bundesregierung warnt jedoch vor Panik. "Wir sind uns einig, dass wir nicht bereit sind, unsere Lebensweise grundsätzlich zu ändern. Wir wollen uns treffen bei großen Veranstaltungen. Wir wollen ins Bundesliga-Stadion. Wir wollen auf Weihnachtsmärkte. Wir wollen ins Theater gehen. Wir wollen uns auf Marktplätzen treffen. Wir wollen Volksfeste feiern. Und das wird so bleiben", sagte de Maizière.

Kanzlerin Merkel dankte den Sicherheitsbehörden und erklärte: "Ich war genauso traurig wie Millionen Fans." Die Absage von Hannover sei aber richtig gewesen. Ein Aufruf an die Bevölkerung, die Lebensweise zu ändern, oder besonders wachsam zu sein, kam von ihr nicht. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) hält an den Spielen am kommenden Wochenende fest. Die Spielansetzungen der Bundesliga und der 2. Bundesliga werden nicht verändert. (Birgit Baumann aus Berlin, 18.11.2015)