Zeiten der Verunsicherung bedingen, dass sich der Fokus der öffentlichen Wahrnehmung verengt. Davon profitieren nicht nur Angstmacher, sondern auch jene, denen es recht ist, wenn ihre Aktivitäten mit weniger Aufmerksamkeit registriert werden. Nur so scheint es erklärbar, dass Österreich derzeit eine nahezu unbemerkt ablaufende Machtübernahme erlebt. Dieser schleichende Prozess hat sich jüngst wieder in der Debatte um die Bildungsreform manifestiert. Die einst als wichtigste Entscheidungsträger des Landes geltenden Sozialpartner waren sich einig: So wie die Bundesregierung und praktisch alle Bildungsexperten sind auch Industriellenvereinigung, Gewerkschaft, Wirtschafts- und Arbeiterkammer gegen eine Verländerung der Schulverwaltung. Ihre Argumente: klare Zuständigkeiten, sparsamere Verwaltung, nachvollziehbare Entscheidungen, weniger Parteieneinfluss und bessere Schülerleistungen (wie aus einem Vergleich von Bundesländern mit und ohne selbstverwaltete Pflichtschullehrer jetzt schon hervorgeht). Für eine Verländerung waren nur die Landeshauptleute. Ihre Argumente: Wir wollen das so. Und überhaupt.

Das allein hat gereicht, um die Reform nur mit einer landeskaiserfreundlichen Kompromisslösung durchzuboxen. Es wirkt, als würde ein Spieler einer Fußballmannschaft den Gebrauch von Schuhen ablehnen, woraufhin das ganze Team beschließt, als Kompromiss künftig nur mehr mit einem Schuh zu spielen.

Der solche Bizarrheiten fördernde Zustand heimischer Machtverhältnisse offenbart sich auch andernorts. Zum Beispiel, wenn ein niederösterreichischer Finanzlandesrat und Wohnbaugelderspekulant seinem Vizekanzler und Parteichef ausrichten lässt, dass dessen Vorschläge für ein neues, mehr Kontrolle ermöglichendes Wohnbaugesetz "vertrottelt" seien. Oder wenn die Bundesländer nun gegen das vom Finanzminister nach über 40 Jahren der Anarchie endlich durchgesetzte einheitliche Haushaltsrecht vor dem Verfassungsgerichtshof klagen, um ihr Recht auf Rechtlosigkeit einzufordern.

Diese Chuzpe schreckt auch vor Verhöhnung nicht zurück. Ein diesbezügliches Meisterstück lieferte unlängst Wilfried Haslauer, als er im Profil meinte: "Eine der schwersten Todsünden der ÖVP ist der Zentralismus." Das klingt wie: "Der schlimmste Fehler von Miley Cyrus ist ihre prüde Schamhaftigkeit."

Aber vielleicht sollte sich gerade der Salzburger Landeshauptmann solche Zynismen verkneifen, hat er uns doch eben erst seine eigene politische Brustschwäche vor Augen geführt. Als ein Provinzbürgermeister und ÖVP-Parteifreund anfing, das privat finanzierte, allseits hochgelobte Flüchtlings- und Integrationsprojekt des Gastronomen Sepp Schellhorn zu zerstören, beteuerte Haslauer seine Machtlosigkeit und ging ansatzlos vor dem Bürgermeister in die Knie.

So schnell verzwergen Landeshauptmannriesen sonst nur, wenn es heißt, sie mögen ihre Ausgaben doch durch selbsteingenommene Steuern finanzieren. Eine realistische Einschätzung ihrer wahren Größe tut not. Denn während darüber gestritten wird, ob Österreich ein Schrebergarten mit oder ohne Zaun ist, haben die Gartenzwerge die Rasenhoheit übernommen. (Florian Scheuba, 18.11.2015)