Die vermutlich kleinste Outdoor-Klokabine der Welt wäre schon ein Grund für einen Besuch im Ranzini – womöglich steht in diesem Hinterhofgastgarten gar der Prototyp des Dixiklos? Man kann natürlich auch wegen der harten Eier im Caffe-Vini Emilio Ranzini vorbeischauen.

Oder wegen des herrlich räudigen Ambientes mit den würdig in die Jahrzehnte gekommenen Vespa- und Lambrettabildern, hach! Wegen Herrn Ranzini indes sollte man eher nicht kommen, der hat sich vor ein paar Jahren verabschiedet.

Aber eigentlich sollte man, auch ohne Original-Ranzini, wegen des Essens kommen, des Essens über die Eier hinaus. Nicht schön, nicht wirklich sterneverdächtig, aber sehr, sehr, sehr gut. Und die Weine, auch nicht übel. Ich mochte selbst den Grignolino nicht von der Tischkante stoßen – und es gibt wahrlich vernünftigere Sorten im Piemont, wenn man nicht gerade Quinto Quarto isst.

Aber sehen Sie selbst – auch wenn die Optik (und gar meine) nicht unbedingt die Schlüsselqualifikation dieser kleinen, großartigen Imbisse sind.

Kräuterfrische

Acciughe im Salsa-Verde-Bad: Hab ich mich nicht gerade erst über üppige grüne Sauce beschwert? Durchaus – aber zwischen dieser dichten Kräutefrische über den Sardellchen und dem grünen Ölbad auf der Zunge in Treiso liegen zwar kaum mehr als 70 Kilometer und doch Welten.

Foto: Harald Fidler

Bällchenbad

Hier beginnt unsere kleine Tour de Force durch die Turiner Welt des faschierten Laberls: Da wären schon einmal herausragende Friciulin (Spinat, Minze, Prosciutto) für 1,50 das Bällchen und Polpette di Carne fürs selbe Geld, einfache Fleischlaberln im Grunde, aber auch grundsympathisch und gut.

Foto: Harald Fidler

Der G'füllte

Das Universum des gefüllten Paprikas ist ja schon in Haselbach und Umgebung (also im Großraum Balkan) praktisch unendlich.

Hier freilich erfuhr es eine erfreuliche Weiterung mit diesen Peperoni ripieni: käsig überbacken, ohne sich überladen anzufühlen, erfreuten sie selbst die Kennerinnen und Kenner aus der weiteren Umgebung Haselbachs.

Und das nicht allein wegen des in Turin und Umgebung praktisch unschlagbaren Stückpreises von 2,50 Euro.

Foto: Harald Fidler

Die G'füllte

Nun muss, nicht allein ob der Gendergerechtigkeit, noch die (naturgemäß gefüllte) Kohlroulade sein. Die wird auch nord- und westwärts von Haselbach Ihresgleichen suchen müssen. Hier mit Fleisch und Käse.

Foto: Harald Fidler

Scharfer Käse

Man kann nun darüber streiten, ob wir an dieser Stelle schon in der Käse/Dessert-Phase angekommen waren, oder ob womöglich eine/r am Tisch nicht ungekäst schlafen gehen wollte.

Man kann den Zank über so nichtige Fragen aber natürlich einfach auslassen, wie man es ohnehin am besten mit solchen Nichtigkeiten des Lebens tut, und sagen:

Ein kleiner, frischer Tomino schadet auch an dieser Stelle nicht, und wenn er mit der durchaus scharfen, roten Sauce kommt, die in der Karte als "infernali" ausgewiesen ist, dann können wir das als kleines, feines Fegefeuer nach dem Fleischbällchenbad einordnen.

Foto: Harald Fidler

Good Nuss

Man möchte meinen, ich war in dieser räudigen kleinen Weinbar nicht ganz nüchtern, und ich würde sowas auch nie behaupten. Aber wer will schon Genuss ganz nüchtern bewerten?

Ich jedenfalls nominiere hiermit (und ganz nüchtern) die Torta di Nocciola (für 2,50 Euro, hier schon vor lauter Gier erheblich angebissen) im Ranzini zur Finalistin in meiner kleinen Liste der besten Ess-Erlebnisse im Piemont. Aber die Liste braucht noch ein bisschen. Bleiben Sie dran. (Harald Fidler, 24.11.2015)

Caffe-Vini Emilio Ranzini
Via Porta Palatina, 9G, Torino, Italien
Viele Bällchen und andere Freuden, paar Weine zu dritt: 40 Euro.

Foto: Harald Fidler