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Gedenken an die Opfer von Paris in Barcelona am Montag. "Islam ist nicht Terrorismus" steht auf dem Plakat.

Foto: REUTERS/Albert Gea

Ich bin ein Anhänger der freien Marktwirtschaft. Nicht kritiklos, immer hinterfragend. Aber letztlich halte ich sie für das beste, gerechteste und freieste (langfristig erprobte) Wirtschafts- und Gesellschaftssystem. Ohne Missionierungsanspruch.

Innerhalb dieses Systems waren und sind aber Entwicklungen und Pervertierungen möglich, von denen eine massive Gefahr für Menschen und Gesellschaft ausgeht und die uns seit Jahren vor immer größere Probleme stellen. Hochfrequenzhandel, Steuer"optimierungs"modelle und so weiter. Manche, nein, leider zu viele halten diese Pervertierungen für richtig. Also für die reine Lehre. Sie interpretieren Marktwirtschaft als radikales, zügelloses Gewinnoptimierungsmodell ohne (gesellschaftliche) Verantwortung. Eat or be eaten.

Mehrheit will Marktwirtschaft "mit menschlichem Antlitz"

Die große Mehrheit der Menschen in marktwirtschaftlich orientierten Staaten und Gesellschaften sieht es wohl anders. Diese große Mehrheit befürwortet eine Marktwirtschaft "mit menschlichem Antlitz", um ganz bewusst einen großen Begriff aus der europäischen Geschichte zu verwenden. Dieser Mehrheit muss aber bewusst sein, dass es an ihr selbst liegt, das System so zu reformieren und umzuwandeln, dass erwähnte Pervertierungen künftig gar nicht mehr möglich, zumindest aber streng sanktioniert sind.

Wir können uns nicht einfach zurückziehen und behaupten, Lehman Brothers, Rana Plaza und die Cayman Islands hätten doch bitte nichts mit Marktwirtschaft zu tun, weil die ja eigentlich für Freiheit, individuelle Entfaltung und Gerechtigkeit stehe. Wir müssen erkennen, dass Rana Plaza systemimmanent ist. Und wir müssen erkennen, dass die notwendige Reform nur von innen gelingen kann.

Mörderische Pervertierungen

So und nicht anders verhält es sich mit den Zusammenhängen zwischen Islam und islamistischem Terror. Niemand, der bei Sinnen ist, bezeichnet den IS als repräsentativ für den Islam. Niemand, der bei Sinnen ist, stellt Musliminnen und Muslime unter Generalverdacht. Aber es ist vor allem für die Musliminnen und Muslime selbst entscheidend anzuerkennen, dass innerhalb ihrer Religion, ihres Wertesystems, ihrer Weltanschauung mörderische Pervertierungen möglich beziehungsweise Realität sind, die insbesondere sie selbst ganz massiv gefährden. Auch in diesem Fall kann der notwendige Wandel nachhaltig letztlich nur von innen und keinesfalls oktroyiert gelingen. (Stephan Huber, 18.11.2015)