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Berge und Kälte sind für Elektroautos kein Problem, sagen die Norweger. Dort boomen die neuen Antriebssysteme.

Foto: picturedesk/Tesla

Wien – Wo sind eigentlich all die Elektroautos, deren Verbreitung seit mehreren Jahrzehnten propagiert wird? Die Antwort lautet: in Norwegen. Ein Drittel bzw. 18.090 der 58.244 Elektrofahrzeuge, die 2014 in Europa (EU mit Norwegen und Schweiz) verkauft wurden, gingen in das skandinavische Land, das mit gut fünf Millionen Einwohnern gerade einmal ein Hundertstel der EU-Bevölkerung aufweist. Zum Vergleich: In Österreich, wo acht Millionen Menschen leben, wurden im selben Jahr 1281 E-Autos verkauft.

Der Boom der Elektromobilität in Norwegen wurde in einer der Keynote-Vorträge der Konferenz "Eco-Mobility 2025plus" vergangene Woche in Wien behandelt. Im Schatten des Skandals um manipulierte Abgaswerte beim deutschen Hersteller VW brachte die diesjährige Tagung der A3PS, der Austrian Association for Advanced Propulsion Systems, österreichische und internationale Experten im Bereich Elektromobilität, Brennstoffzellentechnik, Hybridantriebe und anderer neuer Fahrzeugtechniken zusammen. A3PS, eine Plattform zur Förderung alternativer Antriebssysteme, ist eine vom Verkehrsministerium initiierte Public Private Partnership, die eine koordinierte Zusammenarbeit von Industrie und Forschung in diesem Bereich fördert.

Petter Haugneland von der Elektrofahrzeugplattform Norsk elbilforening, der im Rahmen seines Vortrags zur Elektroautoerfolgsstory Norwegens auch die eingangs zitierten Zahlen präsentierte, macht klar, dass sein Land die Transformation zur klimafreundlichen Mobilität ernst nimmt: "Das Ziel ist, dass alle 2,5 Millionen Autos in Norwegen elektrisch angetrieben werden."

Drei Prozent der 2,5 Millionen Autos in dem Land seien bereits elektrisch angetrieben. 2015 werden sage und schreibe 22,5 Prozent aller Neuzulassungen Elektroautos sein, rechnet Haugneland vor. "In Oslo dreht sich niemand mehr um, wenn ein Tesla vorbeifährt."

In Norwegen seien früher viele große amerikanische Autos gekauft worden, blickt er zurück. "Jetzt liegen unsere CO2-Emissionen pro Kilometer unter dem EU-Durchschnitt." Warum hat also gerade dieser kleine Automarkt, wo jährlich nicht einmal halb so viele Autos verkauft werden wie in Österreich, so hohe Zuwachsraten in der Elektromobilität? "Es liegt nicht daran, weil sich die Norweger mehr Sorgen um die Umwelt machen", erklärt Haugneland, "sondern an einem Paket von Anreizen, die die Politik den Konsumenten bietet."

Das Land, das zu den höchstentwickelten und demokratischsten Staaten der Welt gehört, hat eine konsequente Steuerpolitik zugunsten der E-Fahrzeuge umgesetzt – und das schon seit den frühen 1990er-Jahren. Obwohl Norwegen ein ölproduzierendes Land ist, deckt es den größten Teil seines Elektrizitätsverbrauchs aus Wasserkraft. Die Abgaben auf Autos, die von fossilen Kraftstoffen angetrieben werden, sind überraschend hoch. "Rechnet man die Steuern dazu, erhöht sich der Preis eines Autos mit hohen Emissionswerten auf das Zwei- bis Dreifache", so Haugneland.

Die Steuern auf emissionsfreie Fahrzeuge wurden dagegen weitgehend abgeschafft. Bereits 1990 wurde die Importsteuer abgeschafft – zuerst temporär, ab 1996 fix. 1996 wurde auch die jährliche Straßensteuer reduziert. Unternehmen zahlen seit 1997 nur den halben Steuersatz, und 2001 wurde gar die 25-prozentige Mehrwertsteuer für E-Autos ausgesetzt. Und damit nicht genug. Die Fahrzeughalter müssen weder Straßenmaut noch Fährengebühren zahlen, sie dürfen in Städten die Busstreifen auf den Fahrbahnen benützen und gratis parken.

Elektrisch am Polarkreis

Norwegen stelle, so Haugneland, einen einzigartigen Testfall dar, von dem man international lernen könne. Eine aktuelle Umfrage aus seinem Land, die er vorstellt, belegt, dass gerade Steuer- und Mautermäßigungen den Kauf eines Elektroautos begünstigen. Unter den Eignern der E-Autos würde die geringere Reichweite längst nicht mehr so als Nachteil gesehen als unter den Besitzern konventioneller Autos. Nachteile hätten am ehesten Autofahrer, die in Wohnungen leben, da diese kaum über Ladestationen verfügen. Mittlerweile liege das Verhältnis von öffentlichen Ladestationen zu Autos im Bereich von eins zu zehn, 2010 lag man noch in der Nähe von eins zu eins. Die Umweltbedingungen – Kälte und gebirgige Landstriche – seien kein Problem. Selbst in den Regionen nördlich des Polarkreises werden E-Autos gekauft.

Bei den Anreizen werde es 2018 wieder neue Anpassungen geben. Langsam sei auf den Busstreifen mehr Verkehr als auf der restlichen Fahrbahn. Sollte aber der platzfressende Individualverkehr nicht generell zugunsten öffentlicher Verkehrsmittel eingeschränkt werden, egal ob elektrisch oder nicht? Auch dafür hat Norwegen eine Vision: Die Regierung plant, bis 2020 Privatautos aus dem Stadtzentrum Oslos zu verbannen. (Alois Pumhösel, 20.11.2015)