Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: EPA / PHILIPPE WOJAZER/POOL

Paris – "Der Terrorismus kann die Republik nicht zerstören, weil ihn die Republik zerstören wird." Mit diesen Worten beschloss Hollande eine angriffige Rede vor den beiden Parlamentskammern, die er zu einem feierlichen "Kongress" ins Schloss Versailles berufen hatte. Der französische Staatschef bezeichnete die Attentatsserie von Freitag als "Kriegsakt" und erklärte, Frankreich befinde sich gegen die Terroristen und Jihadisten im Krieg. Es handle sich allerdings nicht um einen Krieg der Kulturen – schon deshalb nicht, weil der IS "niemanden" repräsentiere. Dieser kämpfe gegen Frankreich, weil es ein Land der Freiheit und der Menschenrechte sei, doch sein Land werde sich dadurch nicht beeindrucken lassen.

"Wir haben schon stärkere Feinde besiegt als diese feigen Mörder", erklärte Hollande ferner in seiner Rede, an deren Ende die 900 Parlamentarier eine stehende Ovation erbrachten und die Marseillaise anstimmten.

Notstand

Konkret kündigte Hollande an, er wolle den nationalen Notstand – den er nach den Anschlägen verfassungskonform für zwölf Tage ausgerufen hatte – auf drei Monate verlängern. Das Parlament soll dieses Vorhaben am Mittwoch absegnen. Es erlaubt den Behörden, Örtlichkeiten und Verkehrswege zu schließen, Grenzen zu sperren oder Personen mit Hausarrest zu belegen. Das alles soll einzig dem Kampf gegen den Terrorismus dienen, betonte Hollande.

Zu diesem Zweck will er die Polizei um 5.000, der Strafvollzug um 2.500 und der Zoll um 1.000 Stellen aufstocken. Zur aktuellen Berufsarmee hinzu will er eine "Nationalgarde" aus Reservisten schaffen. Zu den Kosten meinte der sozialistische Präsident nur, der nationale Sicherheitspakt habe Vorrang vor dem (europäischen) Stabilitätspakt.

Auf internationalem Gebiet kündigte der Staatschef eine Intensivierung der französischen Luftschläge in Syrien und Irak an. Zu diesem Zweck werde der Flugzeugträger Charles-de-Gaulle am Donnerstag im östlichen Mittelmeer eintreffen, was die Schlagkraft der französischen Rafale-Kampfjets verdreifache, meinte Hollande. Schon am Sonntagabend habe er zusätzliche Luftschläge auf eine Kommandozentrale und ein Ausbildungslager der Terrormiliz IS angeordnet. Um die internationalen Angriff auf IS besser zu koordinieren, wird der französische Präsident in den nächsten Tagen seine Amtskollegen Barack Obama in Washington und Wladimir Putin in Moskau aufsuchen.

Haltung zu Assad offen

Bisher hatte sich Hollande geweigert, den syrischen, von Russland unterstützten Präsidenten Bashar al-Assad in eine Lösung einzubeziehen. Ob er diese Haltung revidieren will, ließ er in seiner Rede offen. Er ging auch nicht auf die Forderung der konservativen Opposition ein, Frankreich müsse die Entsendung von spezialisierten Bodentruppen erwägen. Bürgerliche Fraktionssprecher warfen Hollande in Versailles in der Debatte vor, er erschwere die Bildung einer internationalen Allianz, wenn er jede Absprache mit Assad kategorisch zurückweise.

Hollande verfolgte mit seinem Auftritt vor allem den Zweck, sämtliche politischen Parteien auf eine "nationale Einheit" (unité nationale) gegen den Terror einzuschwören. Damit begegnete er auch der Kritik an seinem "laschen Kurs", wie Oppositionschef Nicolas Sarkozy meinte. Der Ex-Präsident verlangte schon am Sonntag, dass Radikalsalafisten, die wie einzelne der Selbstmordattentäter in der so genannten S-Fiche der Geheimdienste figurieren, unter Hausarrest gestellt werden. Zur Kontrolle sollen sie elektronische Fußfesseln erhalten.

Front-National-Chefin Marine Le Pen fordert generell ein härteres Vorgehen gegen Migranten und Muslime: Sie will bis auf weiteres allen Flüchtlingen den Zutritt zu Frankreich verweigern, radikale Imame des Landes verweisen und salafistische Moscheen schließen.

Taktische Gründe

Hollandes Appell an die "unité nationale" hatte auch taktische Gründe. Im Dezember sind in Frankreich Regionalwahlen, und die regierende Linke befürchtet eine schwere Schlappe bei diesem letzten und wichtigen Stimmungstest vor den nächsten Präsidentschaftswahlen. Während sich der rechtsextreme Front National und die konservativen "Republikaner" laut Umfragen den Sieg streitig machen, dürften die Sozialisten in vielen Wahlkreisen nicht einmal in die Stichwahl gelangen. Daher hatte Premierminister Manuel Valls schon vor den Pariser Anschlägen zu einem Listenverbund zwischen Sozialisten und Republikanern aufgerufen. Wenn Hollande jetzt für die nationale Einheit eintritt, verfolgt er damit ebenfalls das Ziel, die Rechte und Extreme Rechte ein- und damit zurückzubinden. (Stefan Brändle, 16.11.2015)