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Im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus vergrößert die britische Regierung ihre Geheimdienste und plant offenbar ein verstärktes Engagement in Syrien: Die drei Behörden MI5, MI6 und GCQH sollen 1900 neue Planstellen erhalten, teilte Premierminister David Cameron am Montag schon vor seiner alljährlichen außenpolitischen Grundsatzrede in der City of London mit.

"Wir stehen im entscheidenden Kampf unserer Generation gegen jene, die uns und unsere Werte zerstören wollen", betonte der Regierungschef entschlossen.

Auf dem G20-Gipfel in Belek bei Antalya an der türkischen Mittelmeerküste traf der Regierungschef am Montag mit Russlands Präsident Wladimir Putin zusammen. Zwar seien die Meinungsunterschiede zwischen den beiden Staatsmännern weiterhin groß, "aber alle sehen die Notwendigkeit zu einem Kompromiss".

Mit der diplomatischen Annäherung an den prominenten Unterstützer von Syriens Präsident Bashar al-Assad kommt der Konservative einer Forderung vieler Londoner Außenpolitiker nach: Erst vor kurzem hatte der von Camerons Fraktionskollegen dominierte Auswärtige Ausschuss des Unterhauses Londons Syrien-Strategie kritisiert. Die von Militärs und Verteidigungsminister Michael Fallon geforderte Ausweitung der Luftschläge gegen Ziele des "Islamischen Staates" (IS) komme erst dann infrage, wenn die Regierung dem Parlament einen umfassenden Plan vorgelegt habe.

Keine Grenzen

Die Royal Air Force fliegt schon bisher Angriffe gegen den IS im Irak. Wie hohe Militärs betont auch Cameron, die islamistischen Terroristen würden sich an keine Grenzen halten – und "deshalb sollten wir es auch nicht tun". Aus rechtlichen und politischen Gründen will er sich aber der Zustimmung des Parlaments versichern.

Im August 2013 war die damalige konservativ-liberale Koalition im Unterhaus mit dem Plan gescheitert, Syrien aus der Luft zu attackieren. Auch diesmal wäre der mit geringer Mehrheit regierende Cameron auf die Unterstützung erheblicher Teile der Opposition angewiesen.

Hingegen gibt es gegen die Verstärkung der Lauschzentrale GCHQ, des Inlandsgeheimdienstes MI5 und der Auslandsspione von MI6 kaum nennenswerte Einwände. Die geplante Aufstockung der Dienste um 1900 Stellen stellt einen Personalzuwachs von immerhin 15 Prozent dar. Allerdings werde es "neun bis zwölf Monate vom Zeitpunkt der Einstellung an" dauern, bis die neu angeworbenen Mitarbeiter als voll einsatz-tauglich gelten könnten, berichtet ein früherer GCHQ-Mann.

Kritiker der Ausweitung verweisen auf gleichzeitige Kürzungen im britischen Polizeibudget. Dabei würden normale Streifenpolizisten sowie unbezahlte Bezirksbeamte vielerorts wichtige Erkenntnisse liefern, argumentiert etwa der frühere Londoner Polizeipräsident Ian Blair.

Cameron zufolge haben die Terrorbekämpfer in diesem Jahr bereits sieben geplante Anschläge vereitelt; darunter sei kein Vorhaben vom Kaliber der Pariser Massenmorde gewesen. Die offizielle Terrorwarnung steht seit mehr als einem Jahr auf der zweithöchsten Stufe. Demnach muss eine Attacke auf der Insel derzeit als "höchstwahrscheinlich" gelten.

Gefährdung für Deutschland

Der frühere MI6-Behördenleiter John Sawers warnte in der Financial Times vor einem Anschlag in anderen großen Ländern Europas. "Deutschland könnte gefährdet sein, weil eine Attacke Bundeskanzlerin Angela Merkel schwächen würde."

Die Pariser Anschläge beleben auch die politische Kontroverse um das neue Kommunikationsgesetz der Konservativen. So forderten der frühere langjährige Geheimdienstkontrolleur Alex Carlile von den Liberaldemokraten sowie Tory Michael Howard eine Beschleunigung des Gesetzgebungsverfahrens. Die neuen Regeln sollen Strafverfolgern und Geheimdiensten weitreichenden Zugriff auf die Internetdaten von Millionen unbescholtener Bürger ermöglichen, beinhalten aber erstmals auch die Kontrolle der Dienste durch unabhängige Richter.

Bisher liegt die Entscheidungsgewalt über das gezielte Abschöpfen von Daten mutmaßlicher Terroristen sowie organisierter Krimineller bei Innenministerin Theresa May; diese stimmte im vergangenen Jahr 2795 Abhöraktionen zu. (Sebastian Borger aus London, 16.11.2015)