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Durch die Dreitagesfristen in laufenden Prozessen und die 14-tägige Rekursfrist können Einzelanwälte höchstens in den Gerichtsferien im Sommer sowie zu Weihnachten auf Urlaub gehen.

Foto: APA / dpa / Julian Stratenschulte

Wien – Die österreichische Rechtsordnung kennt in ihren zahlreichen Verfahrensgesetzen höchst unterschiedliche Fristen. Im Bereich der Rechtsbehelfe sind im Spektrum zwischen drei Tagen und sechs Wochen viele Varianten denkbar, auch solche, die definitiv der Verfassung widersprechen.

So hat der Verfassungsgerichtshof im Zusammenhang mit Anfechtungen des Ergebnisses von Volksbegehren eine im Gesetz vorgesehene einwöchige Frist als gleichheits- und rechtsstaatswidrig aufgehoben. Seit der Reparatur des Gesetzes gelten auch im Volksbegehrengesetz Vierwochenfristen für Anfechtungen. Im Wahlrecht bestehen allerdings einwöchige Fristen noch bei Bundespräsidentenwahlen (§ 21 Abs 2 BPräsWG) und bei Europawahlen (VfSlg 17.269/2004).

Aber auch Zweiwochenfristen im Verwaltungsverfahren (etwa im Bauverfahren der Gemeinden sowie bei Strafbescheiden der Magistrate oder BHs) oder die Beschwerdefristen von vier Wochen, die im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht und vor den anderen acht neuen Verwaltungsgerichten vorgesehen sind, können rasch zur Neige gehen, wenn ein Bescheid etwa am 23. Oktober 2015 zugestellt wurde und die Woche nach dem Sonntag mit einem Feiertag beginnt und von einer weiteren "kurzen" Woche gefolgt wird. Diese Konstellation verhilft Angestellten zu beliebten Fenstertagen, doch den Rechtsvertretern vergeht die Zeit mit Kanzleistunden noch schneller.

Veraltete Verfahrensregeln

Auch der Zivil- und der Strafprozess haben ihre Tücken. Der Bludenzer Anwalt Christoph Schneider hat unlängst das Thema zu kurzer Fristen in veralteten Verfahrensregeln der Zivilprozessordnung aufgegriffen. Schneiders Vorwurf an den Gesetzgeber richtet sich gegen eine obsolete Rechtslage, die dem elektronischen Rechtsverkehr (ERV) nicht gerecht wird.

So müssen Urkunden, falls es der Prozessgegner verlangt, binnen dreier Tage im Original vorgelegt werden (§ 82 ZPO), eine Vorschrift zur Protokollberichtigung nimmt noch auf die Niederschrift von Stenogrammen Bezug (§ 212 Abs 5 ZPO), die in Zeiten von Diktafon, PDF-Dateien und E-Mail antik anmuten.

Schneider kritisiert, dass die besagten Dreitagesfristen in laufenden Prozessen (Urkundenvorlagen; Protokollberichtigungen) und die lediglich 14-tägige Rekursfrist dazu führen, dass ein Einzelanwalt höchstens in den Gerichtsferien im Sommer sowie zu Weihnachten auf Urlaub gehen kann. In dieser Zeit sind die Notfristen im Berufungs-, Revisions- und Rekursverfahren gehemmt.

Das hat auch Auswirkungen auf das Privat- und Familienleben (Art 8 EMRK). Der Anwalt kann oft nicht einmal eine auswärtige Verhandlung verrichten, ohne Gefahr zu laufen, eine Frist zu versäumen. Im Urlaub muss er ständig E-Mails checken und in der Kanzlei rückfragen.

Zum Handkuss kommen vor allem jene universell tätigen Einzelanwälte, die Parteien vor Zivilgerichten vertreten, aber auch Strafverteidiger, die nach der Verhaftung von Klienten Urlaube sofort abbrechen müssen. Versäumt ein Anwalt Fristen, helfen nur noch Anträge auf Wiedereinsetzung, im schlimmsten Fall aber entsteht Schaden für die Partei; dann drohen Regressansprüche.

Im Vergaberecht sah der Europäische Gerichtshof für Rechtsmittel sogar Zehntagesfristen für Rechtsmittel als ausreichend an. Für Ausschreibungen unter dem Schwellenwert gilt eine Siebentagesfrist, sonst sind es 14 Tage. Der Wiener Vergaberechtsspezialist Michael Breitenfeld ist daher gewohnt, auch am Tag vor Silvester noch Schriftsätze einzubringen. Hier habe die Beschleunigung der Verfahren ihren Preis, sagt er. Man dürfe nicht die Gerichte mit kürzeren Entscheidungsfristen belasten, selbst aber den damit verbundenen Beschleunigungsdruck ablehnen.

Für Breitenfeld sind es viel mehr prohibitiv hohe Gerichtsgebühren, die den Zugang zum Recht erschweren. Im Vergaberecht kann es sein, dass ein Klient 27.000 Euro auf den Tisch legen muss, um einen Rechtsbehelf einzubringen. Hier ist nun der EuGH am Wort, wo die italienische Rechtsordnung, die ähnlich hohe Einbringungsgebühren vorsieht, am Pranger steht. Das könnte sich auch auf Österreich auswirken, hofft Breitenfeld. (Gerhard Strejcek, 16.11.2015)