In jenem schrecklichen Moment, als am Freitagabend in Paris der erste Mensch ermordet wurde, war es klar, dass die Syrien-Konferenz in Wien zumindest auf dem Papier Ergebnisse produzieren wird. Die Diskrepanzen vor der Außenministerrunde waren so groß, die Stimmung teilweise so schlecht, dass viele Diplomaten an der Sinnhaftigkeit der Übung zweifelten. Das Scheitern der Syrien-Diplomatie hat Tradition: Auch aus den Genfer Anläufen, die 2012 begannen und zu Jahresbeginn 2014 bereits Oppositionelle und Vertreter des syrischen Regimes an den selben Ort brachten, ist ja nichts geworden.

Dass es keine großen Unterschiede in der Betrachtung des humanitären Desasters in Syrien gibt, ist keine große Überraschung oder gar Leistung. Aber wenn man über Maßnahmen zur Verbesserung der Lage redet, dann macht man die Rechnung einstweilen ohne Wirt. Nicht nur dass die Rebellen weiter das Regime angreifen werden und vice versa. Der Kampf gegen den "Islamischen Staat" hat, nach eineinhalb Jahren Luftangriffen mit begrenzter Wirkung, wohl gerade erst begonnen, und die Regeln werden am Boden gemacht. Auch die zur Al-Kaida gehörenden Nusra-Front wird sich kaum an die humanitären Vorgaben aus Wien halten.

Das größte Hindernis auf dem Weg zu einer Lösung, die alle in Wien beteiligten Staaten mittragen können, bleibt nach wie vor die Person des Präsidenten Bashar al-Assad. Aber das Verbalgefecht, dass sich die Außenminister John Kerry und Sergej Lawrow am Samstagabend vor der Presse lieferten, reichte tiefer: Da ging es nicht nur um die Zukunft Assads – sondern um die Vergangenheit des "Islamischen Staat".

Der amerikanischen These, dass der IS am effektivsten bekämpft werden würde, indem man Assad vom Spielfeld nimmt, halten die Russen eine Tatsache entgegen: Der heutige IS ist organisatorisch ein und dieselbe Gruppe, die 2004, im Jahr nach der Irak-Invasion, dortselbst gegründet wurde und sich schon 2006 "Islamischer Staat im Irak" nannte. Es ist die alte Debatte rund um den Irak-Krieg, den diese US-Administration zwar nicht zu verantworten hat, aber deren Folgen sie trägt, wie der Nahe Osten und jetzt auch wieder Europa. (Gudrun Harrer, 15.11.2015)