Bild nicht mehr verfügbar.

"Auf, Kinder des Vaterlands, der Tag des Ruhmes ist gekommen." Auf die ersten Zeilen der Marseillaise haben Valbuena (li.) und Benzema, wie auch immer ihr Tun zu beurteilen ist, jedenfalls gepfiffen.

Foto: AP/HUGUEN

Paris – Am Freitag steht in Paris ein freundschaftliches Rendezvous mit Weltmeister Deutschland an, und dennoch geht es bei EM-Gastgeber Frankreich um alles, nur nicht um Fußball. Superstar Karim Benzema soll seinen Nationalteamkollegen Mathieu Valbuena mit einem pikanten Video erpresst haben, er saß deshalb sogar eine Nacht in Untersuchungshaft. Teamchef Didier Des-champs verzichtete auf das Duo, und die von allerlei Skandalen wie den Unruhen bei der WM 2010 oder der Sexaffäre um Franck Ribéry gebeutelte Öffentlichkeit stöhnt auf.

Dabei hatte doch ganz Frankreich gehofft, dass Deschamps den Laden in den Griff bekommt. Die starke WM mit dem unglücklichen Aus im Viertelfinale gegen Deutschland hatte Hoffnungen genährt. Und jetzt das. Wieder, wie beim Skandal um Bayern-Profi Ribéry, der nicht gewusst haben wollte, dass jene Prostituierte, mit der er verkehrte, erst 17 Jahre alt war, geht es um Sex. Valbuena (31) hatte sich mit seiner Freundin per Smartphone gefilmt. Sein Handy ließ er einfach liegen, als er ein neues bekam, es fiel "Freunden" von Benzema in die Hände, diese drohten Valbuena, das pikante Filmchen zu veröffentlichen.

"Es ist dein Leben"

Spätestens dann kam Benzema (27) ins Spiel. Er soll dem Kollegen im Trainingslager in Clairefontaine geraten haben, die geforderten 150.000 Euro "Schutzgeld" zu bezahlen, was der Real-Star über seinen Anwalt bestreitet. Er sei selbst unter Druck gesetzt worden, hieß es. Der Radiosender Europe 1 allerdings veröffentlichte am Dienstag eine polizeiliche Mitschrift eines Telefonats von Benzema – der auch im Ribéry-Skandal eine Nebenrolle gespielt hatte, aber ebenfalls freigesprochen wurde – mit dessen Jugendfreund Karim Zenati. Benzema soll Zenati, einem Drogendealer mit Gefängnisvergangenheit, am 6. Oktober von einem Gespräch mit Valbuena berichtet haben, den er hatte wissen lassen, dass er das Video kenne. "Darauf ist er bleich geworden", sagte Benzema. Außerdem hatte der Stürmer dem Mittelfeldmann mitgeteilt: "Wenn du willst, dass das Video zerstört wird, kommt mein Freund dich in Lyon besuchen. Rede mit ihm!" Und schließlich: "Es ist dein Leben, ich habe dich gewarnt."

Teamchef Deschamps sagt, er habe auf Valbuena verzichtet, "um ihm psychische Probleme zu ersparen". Benzema, der zuletzt angeschlagen war, aber inzwischen in Madrid wieder trainiert, sei ohnedies "aus körperlichen Gründen nicht verfügbar".

Die handelnden Akteure sind keine Mitläufer, sondern echte Superstars. Benzema stürmt seit 2009 für Real, hat in 194 Spielen 93 Tore erzielt. Für Frankreich traf er in 78 Länderspielen 25-mal. Valbuena, seiner Körpergröße (1,67) wegen das "kleine Fahrrad" genannt, ist bei Olympique Marseille, nun ja, groß geworden, im Nationalteam spielte der jetzige Lyon-Regisseur 52-mal (acht Tore), er gilt als kreative Kraft.

Laut L'Équipe vom Mittwoch ist der Skandal "in der Kabine der Blauen ein großes Thema". Beide Profis sollten 2016 fester Bestandteil der Truppe sein, die Hoffnungen auf den dritten EM-Triumph nach 1984 und 2000 hegt. Was aber, wenn Benzema, dem bis zu fünf Jahre Haft drohen, verurteilt wird? "Das Beste ist", sagt Des-champs, "die Justiz in Ruhe arbeiten zu lassen." (sid, red, 11.11.2015)