Ein violett gefärbter Finger eines Wählers am Sonntag.

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Jubel Montagabend vor dem NLD-Hauptquartier.

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Der Mittwoch war ein ruhiger Tag in den Städten Burmas, wo das normale Leben weitergeht. Noch sind nicht alle Stimmen ausgezählt.

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Viele Menschen in Burma (Myanmar) können es noch immer nicht glauben. Zwei Tage sind die Wahlen nun her, und es bleibt relativ ruhig auf den Straßen. "Alles ist möglich", war die Einstellung vieler vor den historischen Wahlen am Sonntag. Und weiter schwebt Hoffnung über dem Land, in dem viele verstört sind nach jahrzehntelanger Militärdiktatur.

Ungefähr 40 Prozent der zu vergebenden Parlamentssitze sind ausgezählt, und die Partei von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, die National League for Democracy (NLD), hat 90 Prozent dieser Sitze bekommen. Es wird gesagt, dass rund 80 Prozent der Wahlberechtigten auch zur Urne gegangen sind. Viele Wähler haben am Sonntag ihren von der Tinte violett gefärbten Finger fotografieren lassen und das Bild ins Internet hochgeladen – auch ein Beweis der Erfolgsgeschichte der sozialen Netzwerke und neuen Medien, die in Burma stark im Kommen sind.

Kann das die vielfach ersehnte friedliche Wende sein?

Wahlsprengel für Wahlsprengel wird ausgezählt, mehrmals am Tag werden die neuen Resultate verkündet. Es können noch Tage vergehen, bis ein endgültiges Ergebnis vorliegt, es heißt sogar, bis zu zwei Wochen. Schon Montagabend aber versammelten sich zehntausende zu einer ersten Euphorie-Kundgebung vor dem Hauptquartier der NLD. Den Menschen sind Erleichterung und Hoffnung ins Gesicht geschrieben. Freunde und Beobachter vergleichen es mit dem Beginn des Untergangs der Apartheid in Südafrika oder mit dem Fall der Berliner Mauer.

Sicher ist, Aung San Suu Kyi hat sich bisher sehr gemäßigt im Ton gezeigt, und immer wieder werden Aufrufe zu Zurückhaltung und Geduld an die NLD-Anhänger gesendet ("Burma braucht ehrliche Verlierer und bescheidene Gewinner"). Sie hat auch aus der Geschichte gelernt und weiß, dass zu viel Druck kontraproduktiv sein könnte. Am Mittwoch hat "The Lady", wie sie von vielen genannt wird, in einem offenen Brief an Regierung und Armeechef, der auch auf Facebook veröffentlicht wurde, zu "nationalen Versöhnungsgesprächen" aufgerufen. Präsident Thein Sein und seine Partei wollen solche Gespräche nicht, bevor das endgültige Ergebnis vorliegt. Er gratulierte den Burmesen zur Wahl und versprach erneut, das Resultat zu akzeptieren und an einer friedlichen Machtübergabe zu arbeiten.

Damit und mit ihrer Aussage, dass "eine demokratische Regierung in Burma nicht eine Bestrafung von in der Vergangenheit begangenem Missbrauch und Verfehlungen anstreben wird", will Aung San Suu Kyi wohl ihre Bereitschaft zu einer konstruktiven Zusammenarbeit deutlich werden lassen. Eine beeindruckende Geste, auch weil sie unter den alten Machthabern zuletzt 15 Jahre im Hausarrest verbringen musste.

Wie geht's weiter?

Das Stimmenzählen geht weiter. Der Mittwoch war ein ruhiger Tag in den Städten Burmas, wo das normale Leben weitergeht. Viele Menschen in diesem Armenhaus Südostasiens mit einem Pro-Kopf-BIP von knapp 800 Euro müssen ums Überleben kämpfen. Die Hoffnung lebt, auch wenn jetzt ein langwieriger Prozess beginnt durch die Verfassung, die von den früheren Militärs ausgearbeitet wurde und auf deren Basis jetzt gewählt wurde. Das neue Parlament wird erst im Jänner zu einer ersten Sitzung zusammenkommen und dann "Wahlmänner" wählen (ähnlich wie in den USA), die dann die drei Vizepräsidenten wählen werden. Eine Person davon wird das neue Staatsoberhaupt.

Klar ist jetzt schon, dies sind historische Stunden in Burma. Wenn alles gutgeht, könnte Burma ein einzigartiges Beispiel für einen Übergang von Diktatur zu Demokratie werden. Der Weg dorthin ist aber noch ruppig. (Harald Friedl, 11.11.2015)