Smartphone-Hersteller Fairphone hat die vor wenigen Monaten angekündigte, zweite Generation seines gleichnamigen Smartphones in Wien präsentiert. Dabei ermöglichte man nicht nur den Pressevertretern, erstmals Hand an die Vorserienmodelle zu legen, sondern erläuterte auch die Bemühungen, die man zur Produktion eines "fairen" Smartphones gesteckt hat.

Teil des Konzepts ist auch eine österreichische Firma. Die Leiterplatten, die in die neue Generation des Handys verbaut werden, stammen von AT&S. Die Partnerschaft, so erklärt Fairphone-Chef Bas van Abel, sei ursprünglich sogar von Nutzern des ersten Fairphones angeregt worden.

Foto: derStandard.at/Pichler
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"Wir haben mehrere Standorte von AT&S besucht und waren beindruckt von den Nachhaltigkeitsmaßnahmen", so van Abel. Nach eigenen Angaben pflegt der österreichische Konzern auch bei seinen chinesischen Standorten europäische Standards, insbesondere, was den Umweltschutz angeht.

Man misst seit einiger Zeit den eigenen CO2-Footprint und hat sich als Ziel gesetzt, den Wasserverbrauch jährlich um drei Prozent zu senken. Gemeinsam mit Fairphone versucht man auch, das eigene Gewicht innerhalb der Lieferkette geltend zu machen und Lieferanten zu internationalen Standards zu verpflichten.

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Das Fairphone 2 ist freilich noch ein langes Stück entfernt davon, 100 Prozent "fair" zu sein. Allerdings gibt es einige Fortschritte zu vermelden. Neben dem verwendeten Zinn und Tantal kommen nun auch Gold und 50 Prozent des verwendeten Wolframs aus Minen, die ihren Arbeitern bessere Standards in Sachen Lohn und Schutz bieten. Insgesamt, so erklärt man, stecken allerdings über 1.500 Komponenten und über 40 Mineralien in dem Gerät. Es bleibt also noch einiges zu tun.

Möglich wurden die Fortschritte auch dadurch, dass man für das Telefon nicht mehr eine fertige Vorlage lizenziert, sondern es selber designed hat. Zuständig zeichnete die Agentur Seymourpowell. Es sei sehr herausfordernd gewesen, das Gerät modular zu gestalten. "Die Reparatur von handelsüblichen Smartphones sieht aus wie eine Operation am offenen Herzen", heißt es in einem Präsentationsvideo. "Man braucht viel Geschick und einen Haufen verschiedener Werkzeuge."

Foto: derStandard.at/Pichler
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Das Vorhaben ist geglückt. Viele Komponenten des Fairphone 2 sind einfach austauschbar, zur Zerlegung wird nicht mehr als ein Schraubenzieher benötigt. Das Highlight stellt jedoch das Display-Panel dar. Es wird durch Clips im Inneren des Gehäuses fixiert und kann nach dem Öffnen durch die Betätigung eines Druckmechanismus einfach herausgeschoben werden – ganz ohne Werkzeug.

Leicht zugänglich soll auch die Audioklinke sein, ebenfalls ein Bauteil, das meist stärker beansprucht wird. Der modulare Aufbau soll auch längere Verfügbarkeit von Ersatzteilen garantieren und damit ein Problem lösen, bei dem man mittlerweile mit der ersten Generation steht. Selbst wenn einzelne Teile wie die Kamera nicht mehr hergestellt werden, können sie mit neueren Modellen ersetzt werden, solange der Konnektor passt.

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In Sachen Hardware waren die neuen Fairphones, die das Unternehmen nach Wien mitgebracht hatte, bereits weitestgehend fertig. Kleinere Änderungen könnten sich höchstens noch beim Antennendesign ergeben. An der Software wird allerdings noch eifrig gefeilt. Beim Probelauf stürzte die Kamera-App beispielsweise regelmäßig ab.

Das Fairphone 2 ist ein relativ leichtes Gerät, aber deutlich dicker und designtechnisch auch "klobiger" als andere Handys, was schlicht dem modularen Aufbau und der robust wirkenden Bauweise geschuldet ist. Dämpfung ist in das Gehäuse bereits integriert, eine zusätzliche Hülle wird auch für sehr vorsichtige Nutzer nicht notwendig sein.

Anstelle eines Mittelklasse-Chips von Mediatek setzt man nun auf Qualcomms Snapdragon-801. Der Schritt in Richtung High-end macht das Telefon zwar merklich teurer – 530 Euro verlangt man – soll aber dazu führen, dass die künftigen Besitzer es länger im Einsatz haben. Der mit Abstand größte Teil der CO2-Emissionen entfällt bei einem Smartphone auf seine Herstellung und nicht auf seine Verwendung, erklärt dazu van Abel. Dementsprechend sei viel gewonnen, wenn die Kunden es nicht bereits nach zwei Jahren wieder ersetzen, sondern doppelt so lange verwenden.

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Die Standard-Software des Fairphone 2 wird auf Android 5.1 basieren. Dabei wurden kleinere Anpassungen vorgenommen. Direkten Zugang zum Appdrawer gibt es nicht, jedenfalls nicht als Standardeinstellung. Vier Lieblingsprogramme und Zugang zur Programmübersicht gibt es wie gehabt über eine Wischbewegung vom linken Rand. Nett: Wurde eine App kürzlich aktualisiert, wird ihr Icon mit einem kleinen Hinweis ergänzt.

An einer Firmware auf Basis von Android 6 "Marshmallow" wird bereits gearbeitet, verriet man dem WebStandard. Einen Releasetermin für die Aktualisierung hat man derzeit allerdings nicht parat. Die aktuelle Software, soweit dies in der Kürze einschätzbar war, lief jedenfalls flüssig.

Der Softwaresupport soll sich mit dieser Generation wesentlich verbesser, was ebenfalls mit dem Wechsel auf einen Qualcomm-Chip zu tun hat. Weil Mediatek, Hersteller des Chips im ersten Fairphone, extrem restriktiv mit eigenem Code und Treibern umgeht und einen entsprechend schlechten Ruf unter Entwicklern genießt, blieb dieses bis jetzt auf Android 4.2 hängen. Bemühungen der Community, Custom ROMs umzusetzen, verliefen früh im Sand.

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Beim Fairphone 2 gibt es viel besseren Zugang zu benötigten Software-Komponenten und neben Android werden auch andere Betriebssysteme installierbar sein. So arbeiten etwa Community-Entwickler mit Unterstützung von Jolla an einer Umsetzung von Sailfish OS, ebenso könnte auch Firefox OS seinen Weg auf das Gerät finden.

Bis die ersten Unterstützer, die schon im Sommer ein Fairphone 2 vorbestellt haben, ihr neues Handy bekommen, werden noch ein paar Wochen vergehen. Im Dezember soll die erste Charge ausgeliefert werden.

Langfristig, meint der Fairphone-Chef, will man zeigen, dass es möglich ist, nachhaltig und profitabel zugleich zu agieren. Das bedeutet allerdings auch, dass das Unternehmen praktisch gezwungen ist, mit neuen Geräten auf den Markt zu gehen, wenn dies für den Erhalt der Firma erforderlich ist.

Foto: derStandard.at/Pichler
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Die Rolle wechseln, etwa durch die Umwandlung in eine Zertifizierungsstelle, will er nicht. Als solche würde man sich in die Rolle eines Zusehers begeben, der nur Empfehlungen abgibt. Man habe bewusst entschlossen, Teil der Industrie zu werden, um den Wandel anzukurbeln.

Ist Fairphone auf Dauer erfolgreich, könnten sich eines Tages auch die Branchengrößen stärker in Richtung Nachhaltigkeit bewegen. Dass sich das Geschäft im Vergleich zu heute grundlegen ändern kann, hält er jedenfalls für möglich und das Interesse der Konsumenten für gegeben. Was in der Lebensmittelindustrie und anderen Bereichen funktioniert habe, ist auch in der Elektronikherstellung nicht undenkbar. (Georg Pichler, 14.11.2015)