Ankara – Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan plädiert ungeachtet scharfer Kritik der Opposition für eine Stärkung seiner politischen Rolle. Bei einer Veranstaltung zu Ehren des Republikgründers Mustafa Kemal Atatürk bekräftigte er am Dienstag seine Forderung nach Reformen und einer neuen Verfassung in den kommenden vier Jahren.

Nach Erdogans Vorstellung soll so der Präsident ähnlich wie in den USA oder in Russland exekutive Vollmachten erhalten und somit faktisch Regierungschef sein. Kritiker werfen Erdoğan vor, mithilfe einer neuen Verfassung in Wirklichkeit eine Diktatur errichten zu wollen. Die Europäische Kommission bemängelte am Dienstag erhebliche Defizite bei den Grundrechten in der Türkei.

Unterstützung erhielt Erdogan von Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu. Das gegenwärtige politische System sorge für Spannungen zwischen Präsident und Regierungschef, sagte er in einem Interview des staatlichen Senders TRT. Für die kommenden sechs Monate kündigte er einen umfassenden Prozess zur Reformierung der Wirtschaft, Justiz und Gesellschaft an. Details nannte er nicht. Erdoğan und Davutoğlu sehen sich durch die Parlamentswahl am 1. November gestärkt. Ihre AKP hatte die absolute Mehrheit erreicht. Allerdings verpasste sie die für eine Verfassungsänderung nötige Zwei-Drittel-Mehrheit. (APA, 10.11.2015)