Ein behäbiger Gasthof am Kirchplatz von Hermagor: Manuel Ressi (rechts) ist der neue Bärenwirt.

Foto: M. Corti

Exzellent: gemischte, von Ressi selbst gesammelte Pilze mit Topinamburcreme.

Foto: M. Corti

Vor etwas mehr als einem Jahr war hier schon von Manuel Ressi zu lesen, der über 15 Jahre lang das Steirereck in Wien an der Seite Heinz Reitbauers bekocht hatte, bevor es ihn mit Frau und Kindern heimzog an den Südzipfel Kärntens, ins Gailtal. Zuerst war es nur eine Stelle als Koch in einem aus der Zeit gefallenen Wirtshaus eines Freundes, mit der Ressi das Gailtal plötzlich als Adresse für wache Gaumen positionierte. Seit vergangener Woche hat er mit dem Bärenwirt am Kirchplatz von Hermagor nun sein eigenes Wirtshaus.

So charmant das Engagement Ressis bei einem zerlepperten Dorfwirten wie dem Plamenig in Latschach (30 Häuser) gewirkt hatte, es war stets klar, dass es nur eine Zwischenstation sein konnte. Die neue, nunmehr dauerhafte Wirkungsstätte ist aber um nichts weniger bodenständig, nur anders – und eben Ressis eigene. Auch hier stehen die Zecher wie je an der Budel, während in der alten Stube mit Kachelofen und im modern gehaltenen Gastzimmer die Gäste dicht an dicht sitzen: bei fantastischer Rindsuppe mit Leberknödel, Milzschnitten oder Frittaten, bei konkurrenzlos köstlichem Wiener Schnitzel, aber auch bei fein kalibrierten Überraschungsmenüs, von denen das große mit sechs Gängen gerade einmal 46 Euro kostet.

Pilze mit Topinamburcreme, Pastinakentascherl mit Erdnussbutter

Da darf man sich etwa auf einen Salat freuen, aus den Herzen der letzten, hochreifen Tomaten mit zart-süßem Dressing aus eingelegten Tomaten und Olivenöl, dazu ein paar Blätter Senfkohl, die mit scharfen, bitteren Akzenten beherzt dazwischenfahren – mmh! Oder einen tiefen Teller mit gemischten, von Ressi selbst gesammelten Pilzen mit Topinamburcreme (siehe Bild), die dank einer Vinaigrette aus gequollenen Senfkörnern mit Ingwer und Waldmeister eine frische, fruchtige, ja knackige Note verpasst bekommen – Wahnsinn.

Austern mit Kohlrabi, Zitrus und Algen stehen auch auf der Karte, die sind aber leider aus: Das einzige Gericht auf der Karte, das auch über die Zutaten von der weiten Welt erzählt, wollen sie im Tal offenbar alle haben. Nicht anders als groß ist auch der nächste vegetarische Gang: Pastinakentascherl mit Erdnüssen und einer Butter, in der offenbar Habanero-Chilis ihren Spaß haben durften – wenn auch auf ganz zarte Art, die selbst hochempfindliche Präzisionsgaumen nicht herausfordern dürfte.

Virtuose Frechheit

Weil gerade Ganslzeit ist, schiebt Ressi Gänsekleinsuppe ein, ein ganz unglaubliches Konstrukt, das die ganze Kraft des Vogels in sich trägt, dank zart weihnachtlicher, pfeffriger Würze und ein paar knackiger Würfel vom pochierten Stangenzeller aber einen Drive entwickelt, der genau das kann, was die Ganslsuppe sonst unmöglich schafft: den Magen zu öffnen.

Ähnlich subtil geht Ressi auch mit Amurkarpfen um, den er, ungeschröpft und doch grätenlos, an den Glaspunkt knuspert und mit seidig zarter Melanzani und einem Hauch von Polenta kombiniert. Ein paar ordentlich saure Olivenpartikel setzen die Kontraste. Reh mit Rotkraut, Knödel und Vogelbeere mag wie eine gefährliche Drohung aus alter Zeit klingen – in Ressis Händen aber wird daraus wie nebenbei eine ganz frische Kreation, bei der herbe und saure Akzente das auf den Punkt geschmeichelte Teil vom Schlögel sehr aufregend umschwirren.

Dass der Erdäpfelknödel in all seiner kuchig-mürben Buttrigkeit keine dicke Sauce braucht (und auch nicht bekommt), zeigt, wie viel Spaß es Ressi macht, die vorgefestigten Erwartungen der örtlichen wie weitgereisten Gäste mit Charme und virtuoser Frechheit in Grund und Boden zu kochen. (Severin Corti, RONDO, 13.11.2015)