Bild nicht mehr verfügbar.

Maryam Monsef bei ihrer Angelobung

Foto: REUTERS/Chris Wattie

Ihr Vater wurde erschossen, als Maryam Monsef noch ein kleines Mädchen war. Bis heute weiß sie nicht viel mehr, als dass er als Betreiber einer Import-Export-Firma oft im Iran war und einmal auf dem Weg zurück nach Afghanistan in ein Gefecht geriet. Für ihre Mutter, damals 23 Jahre alt, war die Entscheidung klar, so schwer sie ihr auch fiel: Flucht. Zunächst in den Iran, doch dort hatten sie nicht genug zum Überleben. Schließlich schaffte sie es mit den drei kleinen Töchtern 1996 nach Kanada, wo ein Verwandter lebte.

Heute, 19 Jahre später, ist Maryam Monsef 30 Jahre alt und als jüngste Ministerin im Kabinett von Justin Trudeau für demokratische Institutionen zuständig.

Die Vergangenheit ist für sie noch immer sehr präsent. An die beschwerliche Flucht – auf dem Rücken von Eseln und Kamelen, dann aber auch in Flugzeugen – kann sie sich noch gut erinnern. "Wir Kinder wussten nicht, dass wir arm waren. Wir wussten nicht, dass wir keine Zukunft hatten", erzählte sie der Huffington Post.

In Peterborough, unweit von Toronto im Osten Kanadas, hatte dann die vaterlose Familie doch eine Zukunft. Zum ersten Mal in ihrem Leben sah die damals Elfjährige ein Rotkehlchen und war ganz hingerissen von der Tatsache, dass ihre Stadt von über 40 Seen und Flussläufen umgeben ist. Und dass man als Mädchen allein auf die Straße und sogar Rad fahren durfte, war ihr auch völlig neu.

So schön es auch war, war es gleichzeitig auch hart: Sie hatte oft Heimweh und verstand anfangs kaum Englisch. Also wurde sie in einen Crashkurs geschickt und übte eifrig, indem sie pausenlos TV-Nachrichtensendungen schaute. Das politische Interesse hat sie ihrem Großvater zu verdanken, sagte sie zum Ottawa Citizen.

Sich an die neuen Lebensumstände anzupassen, fiel Monsef nach eigenem Bekunden schwer – auch wenn die Nachbarn sie stets fühlen ließen, Teil einer Gemeinschaft zu sein. "Ich hoffe, dass ich jetzt als Ministerin ein wenig von dem zurückgeben kann, was ich bekommen habe", erzählt Monsef – sie hat einen Psychologie-Abschluss der Trent University – und scherzt, sie sei Single, "weil ich ja ohnehin mit Peterborough verheiratet bin".

In die Politik wollte Monsef schon vor einem Jahr, doch sie scheiterte bei der Bürgermeisterwahl. Nun ist sie plötzlich Ministerin – eine Belohnung für die junge Frau, denn: "In einer Demokratie zu leben, das ist ein Geschenk." (Gianluca Wallisch, 9.11.2015)