Die freiwilligen Helfer in der Flüchtlingskrise sind schon viel gelobt worden. Das ist gut so, und das könnte noch viel stärker und nachdrücklicher stattfinden – um Hass, Ablehnung und Vorurteile, die auch virtuell gesät werden, wenigstens einigermaßen auszugleichen.

Immer öfter wird allerdings auch erwähnt, dass sich die Helfer ausgelaugt und erschöpft fühlen. Man merkt es auch auf Facebook und anderen Internetforen. Da gibt es Missverständnisse, Gereiztheiten und Streitereien zwischen etablierten NGOs und "Privaten" – Ausbrüche als Zeichen nachlassender Nervenstärke. Mit Erschöpfung kämpfen zwar auch die professionellen Hilfskräfte – aber umso stärker jene Privatpersonen, die mit Enthusiasmus, aber ungeschult (und psychisch daher auch ungeschützt) mit vollem Einsatz ans Werk gingen. Vereinzelt gibt es bereits psychosoziale Initiativen, die sich als Ansprechpartner anbieten. Aber im Wesentlichen bleiben die Menschen, auf die das offizielle Österreich in Sonntagsreden so stolz ist, sich selbst überlassen.

Die Wahrheit ist nämlich, dass das offizielle Österreich gar nicht genau weiß, wie es mit dieser völlig neuen, man kann getrost behaupten: nie dagewesenen Bewegung umgehen soll. Die blitzschnelle Art und Weise, wie die Helfer etwa bei "train of hope" zusammenfanden, sich ganz pragmatisch organisierten und wahrhaft Großes auf die Beine stellten, ist dem in Ordnung und Struktur funktionierenden Staat naturgemäß ein wenig suspekt. Diese Menschen sind nicht berechenbar, in ihrer Schnelligkeit und mit ihrer eigenen Ordnung überfordern sie Politik und Verwaltung und führen auch noch täglich vor Augen, was man alles Gutes tun könnte, wenn man nur ein bisserl weniger bürokratisch wäre.

Mit der Einbindung ist das auch so eine Sache: Viele wollen gar nicht eingebunden werden – beziehungsweise gibt es keine Verbindlichkeit. Man will zwar dasselbe (Flüchtlingen helfen), das aber oft auf unterschiedlichen Wegen. Das stört mitunter den Kommunikationsfluss und führt in den Notquartieren mitunter zu leichtem Chaos.

Auch die etablierten Hilfsorganisationen haben immer wieder ihre liebe Not mit den Graswurzel-Engagierten. Zwar freut man sich dort ehrlich über jeden Freiwilligen. Aber diese bedeuten auch vermehrten Organisationsaufwand. Man muss die Hilfsbereiten koordinieren, in Dienstpläne einbauen – und damit umgehen, dass sie mitunter festgefügte Abläufe stören. Die privat organisierten Helfer sind wiederum oftmals frustriert von der Behäbigkeit und Umständlichkeit – und oft auch der Paragrafenreiterei – der offiziellen Stellen. Das wiederum fördert Erschöpfungs- und Ohnmachtsgefühle.

Über all das wird derzeit nicht gesprochen, gemeinsam, oder eigentlich nebeneinander, wurstelt man sich durch. Dabei ist diese Bewegung ein Schatz, der gehoben werden muss. Diese unkonventionellen Helfer auf Bahnhöfen und in Notquartieren sind jene "Bürgergesellschaft", von der Andreas Khol einst etwas altbacken träumte. Es geht darum, das spontane, schon ziemlich lang anhaltende Engagement in nachhaltige Hilfe umzuwandeln. Letztlich entlasten hier, in einem weiter gedachten Sinne, Bürger selbstständig und aus eigenem Antrieb den Sozial- und Wohlfahrtsstaat, indem sie ihre Freizeit, ihr Know-how und ihre Netzwerke einsetzen.

Das sollte der Republik viel mehr wert sein als lobende Worte. (Petra Stuiber, 8.11.2015)