Bild nicht mehr verfügbar.

Kindertheater aus dem Geiste Brechts und von Triers: Adriana Gerstner (Pünktchen) und Martin Schwab (Autor).

Foto: APA/Hochmuth

Wien – In Erich Kästners Kinderbuchklassiker Pünktchen und Anton spukt ein Gespenst. Es ist der Geist des Aufruhrs. Da ist auf der einen Seite Pünktchens (Adriana Gerstner) unvorstellbar reiche Familie. Die Pogges verdanken ihr Vermögen der Herstellung von Spazierstöcken. Anton (Florian Klingler) wiederum lebt bei seiner kranken Mutter, die sie beide mit Näharbeiten über die Runden bringt. Für Kinder sind soziale Schranken nichts wert. Das sieht auch die aus Lienz gebürtige Regisseurin Cornelia Rainer ein. Ihre Kästner-Adaption für Kinder ab sieben Jahren spielt im hohen, weitläufigen Gebäude des Kasinos auf dem Schwarzenbergplatz.

Großstadtluft Bertolt Brechts

Rainer beliefert die Wiener Burg mit einer Arbeit im Geist des verrückten Film-Dänen Lars von Trier. Sie riskiert viel und gewinnt alles. Ihr Kästner atmet die belebende Großstadtluft Bertolt Brechts. Anstatt die Wohnung der Pogges umständlich aufzubauen, hat sie die Umrisse der Zimmer mit weißem Band abkleben lassen. Von Triers Dogville grüßt herzlich (Bühne: Sarah Haas). Auf der gegenüberliegenden Seite haust Antons schmerzverzerrte Mutter (Dunja Sowinetz). In der Mitte aber tippt und doziert der Dichter. Martin Schwab gibt im Gehrock den reizendsten Spielleiter ab. Er ist sich nicht zu schade, Domestiken zu verkörpern oder als Antons Lehrer ein Feuer der Zurechtweisung abzubrennen.

Episches Theater für die Kleinen

Indem Rainer die Kinder wie mündige Zuseher behandelt, gelingt ihr ein famoses Kunststück: Kein Knirps glotzt romantisch. Man muss eisern durchhalten. Zweieinhalb Stunden sind keine Kleinigkeit. Aber man bekommt bedeutende Schönheiten mitgeteilt. Da wäre vor allem der chaotische Haushalt der im Geld ertrinkenden Pogges. Der Hausherr (Dirk Nocker) tanzt förmlich auf dem Hochseil der Überforderung, ihm zur Seite steht eine überdrehte Frau (Christina Cervenka). Episches Theater für die Kleinen? Kann man machen, wenn man es zustande bringt. Cornelia Rainer und ihr Team schaffen das im Nu. (Ronald Pohl, 8.11.2015)