Wien – FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache hat in der ORF-"Pressestunde" am Sonntag zu einem Rundumschlag gegen die Regierung, aber auch gegen das ÖBB-Management ausgeholt. Er werde wie angekündigt Strafanzeige gegen die Bundesregierung einbringen, kündigte Strache an, und zwar schon am Montag. Diese richte sich gegen Kanzler Werner Faymann (SPÖ), Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) sowie gegen Verantwortliche der ÖBB.

Wie der STANDARD erfuhr, wird die Anzeige entgegen Straches Ankündigung doch erst am Dienstag eingebracht und im Rahmen einer Pressekonferenz vorgestellt.

Strache begründete in der Pressestunde die Initiative damit, das die Regierung "tagtäglich Gesetzesbruch" begehe. Flüchtlinge würden unkontrolliert ins Land gelassen und dann auch noch weitertransportiert. Damit betätige sich die Regierung auch noch als "Schlepperorganisation".

"Keine Allerheilslösung"

Strache wünscht sich einen Rücktritt der Regierung und so rasch wie möglich Neuwahlen. Er gestand zu, dass die FPÖ auch nicht die "Allerheilslösung" habe, aber den Willen, Gesetze einzuhalten. Er wolle an den Grenzen "exterritoriale Transitzonen" schaffen. Flüchtlinge sollen diese nicht verlassen können, sie sollen dort kontrolliert werden, unter anderem sollen ihnen Fingerabdrücke abgenommen werden.

Strache gestand zu, dass eine lückenlose Schließung der Grenzen nicht möglich sei. Möglich wäre es aber, Flüchtlingsströme zu erkennen und rechtzeitig zu reagieren.

Das von der Regierung beschlossene "Asyl auf Zeit" ist für Strache "absurd". Das sei "ein aufrechtes Gesetz", das derzeit nur nicht gelebt werde. Asyl bestehe immer nur auf Zeit, die Regierung versuche damit die Bevölkerung zu täuschen. Wichtig wäre nach Ansicht des FPÖ-Obmannes aber ein Signal, "es geht nicht mehr, wir können euch nicht alle aufnehmen". Das von Deutschland und Österreich ausgesendete Signal, mit dem die Menschen eingeladen worden seien, müsse abgeändert werden.

Bundespräsident: Auch Hofer vorstellbar

Strache hat mehrere Namen als mögliche Kandidaten für die Bundespräsidenten-Wahl im kommenden Frühjahr genannt. Möglich wäre es etwa, dass die FPÖ die frühere OGH-Präsidentin Irmgard Griss als unabhängige Kandidatin unterstützt. Auch der aus der FPÖ stammende Rechnungshofpräsident Josef Moser wäre "interessant".

Ausdrücklich nannte Strache aber auch den Dritten Nationalratspräsidenten Norbert Hofer, der als Parteikandidat ins Rennen gehen könnte. Auf Nachfrage bestätigte der FPÖ-Chef auch, dass die vor der Wien-Wahl aus der ÖVP übergetretene Ursula Stenzel eine mögliche Kandidatin sein könnte.

Einen fliegenden Koalitionswechsel der ÖVP von der SPÖ zur FPÖ auf Bundesebene schloss Strache neuerlich aus. Eine neue Koalition mit der FPÖ könne es nur nach Neuwahlen geben.

Dass er bei der Wien-Wahl das Duell mit Michael Häupl (SPÖ) verloren hat, nahm Strache eher gelassen. Dieses Mal habe es noch nicht gereicht, "aber das nächste Mal kommt bestimmt". Er verwies darauf, dass vor zehn Jahren der Abstand zur SPÖ noch bei 46 Prozentpunkten gelegen sei, jetzt nur noch bei 8,5. Grundsätzlich sei dieses Jahr aber das erfolgreichste der FPÖ, "wir sind so stark wie nie zuvor".

Zum Parteiausschluss der Abgeordneten Susanne Winter betonte Strache: "Antisemitismus hat in der FPÖ keinen Platz." Dabei gehe es nicht um Kalkül, das sei "eine felsenfeste Überzeugung". Juden dürften nie wieder Angst haben müssen, verfolgt zu werden. "Da haben wir alle eine Verantwortung." Strache entschuldigte sich auch bei allen jüdischen Mitbürgern für das Posting Winters, in dem sie einen antisemitischen Eintrag befürwortet hatte. Die "zynischen Aussagen" des Abgeordneten Christian Höbart, der ein Video von Boots-Flüchtlingen mit den Worten kommentiert, "eine Seefahrt, die ist lustig ..." kommentierte, sind für Strache aber nicht mit jenen Winters vergleichbar.

SPÖ: "Kein einziger Vorschlag"

SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder hielt Strache vor, vom Einzäunen Österreichs fantasiert und die inhumanen Methoden des ungarischen Premiers Viktor Orbán gelobt zu haben, der mit Tränengas gegen Flüchtlinge vorgegangen ist. Der FPÖ-Obmann habe aber keinen einzigen durchführbaren Lösungsvorschlag präsentiert. Notwendig wäre nach Ansicht des SPÖ-Klubomanns eine Politik, die einerseits einen menschlichen Umgang mit den Schutzsuchenden gewährleistet, gleichzeitig ein geordnetes System an der Südgrenze garantiert.

Für ÖVP-Generalsekretär Peter McDonald hat Strache beinahe ausschließlich Emotionen "mit vermeintlich einfachen Lösungen ohne jeglicher Substanz" geschürt. Die scheinbar leichten Ansagen mögen auf den ersten Blick vielleicht gut klingen, hätten jedoch mit der Realität und vernünftigen Lösungen für aktuelle Herausforderungen nichts zu tun. Notwendig wären stattdessen besonnene und verantwortungsvolle Maßnahmen. "Mit Angst, Hetze und Populismus kommt unser Land sicher nicht weiter", sagte McDonald.

"Stimmungsmache gegen schutzbedürftige Kinder und Familien löst kein einziges Problem, weder unserer Gesellschaft, noch der Flüchtlinge", hielt auch die grüne Menschenrechtssprecherin Alev Korun Strache entgegen. Dessen Abschottungs- und Einzäunungsfantasien seien ineffektiv und nutzlos. Zäune und Stacheldraht würden Fluchtbewegungen nur geringfügig umlenken, aber in keiner Weise stoppen. "Familien auf der Flucht müssen dann längere Wege gehen und stellen erst recht einen Antrag auf Asyl", sagte Korun.

Für Team-Stronach-Generalsekretär Christoph Hagen geht die von Strache angekündigte Strafanzeige "übers Ziel hinaus", obwohl die Regierung "auf ganzer Linie versagt". Hagen will stattdessen parlamentarische Mittel ausnützen. Angesichts der Zustände an den Grenzen fordert Hagen eine unverzügliche Teilmobilmachung einzelner Milizverbände.

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid nahm Strache die Behauptung nicht ab, dass Antisemitismus in der FPÖ keinen Platz habe. Da der Abgeordnete Christian Höbart nicht zur Ordnung gerufen werde, ist Schmid der Ansicht, dass Rassismus und Hetze zentrale Bestandteile der FPÖ seien. (APA, 8.11.2015)